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Drei Prozent mehr Lohn sind verkraftbar

■ Wolfgang Scheremet vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung

taz: Herr Scheremet, die Metallarbeitgeber sagen zwar, sie seien zu einer „echten Lohnerhöhung“ bereit, verlangen dafür aber gleichzeitig zusätzliche Kostenentlastungen. Ist eine reine Lohnerhöhung ökonomisch nicht verkraftbar?

Wolfgang Scheremet:Es kommt natürlich auf die Höhe der Zuwachsrate an. Die Sechs-Prozent- Forderung der IG-Metall ist gewiß nicht zu verkraften. Wenn man sich die wirtschaftlichen Eckdaten betrachtet, dann kann man aber sagen, daß eine dreiprozentige Lohnerhöhung im Durchschnitt der westdeutschen Wirtschaft – und damit auch innerhalb der Metallindustrie – ökonomisch durchaus gerechtfertigt ist. Eine solche Zuwachsrate der Löhne würde die Lohnstückkosten etwa um ein Prozent steigen lassen. Dieser Erhöhung läge unter dem Lohnstückkostenanstieg in den europäischen Konkurrenzländern. Das heißt, ein dreiprozentiger Lohnanstieg würde der deutschen Wettbewerbsfähigkeit nicht schaden.

Schon jetzt boomt der Export und das trotz einer stärker werdenen D-Mark und der damit für die Exportwirtschaft ungünstigeren Wechselkurse.

Das DIW hat immer darauf hingewiesen, daß die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nie ernsthaft in Gefahr war und wir nie ein fundamentales Strukturproblem hatten. Nach unserer Auffassung handelte es sich bei den Problemen der letzten Jahre im wesentlichen um eine konjunkturelle Krise, die durch einen Konflikt zwischen Lohn- und Geldpolitik im Jahr 1992 ausgelöst wurde. In den Jahren 1993/94 haben die Gewerkschaften mit ihrer zurückhaltenen Lohnpolitik zur Bewältigung dieser Konjunkturkrise nachhaltig beigetragen. Das bedeutet, daß man nun mittelfristig wieder auf einen höheren Pfad der Lohnentwicklung einschwenken kann.

Die Arbeitgeber verlangen eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Bieten die Tarifverträge derzeit zu wenig Möglichkeiten?

Nein, ein aktuell drängendes Problem besteht hier nicht. Im Zuge der deutschen Vereinigung hat sich ja gezeigt, wie flexibel die Unternehmen auf zusätzliche Nachfrage reagieren können. Bei entsprechendem Nachfragerückgang ist zudem jederzeit Kurzarbeit möglich. Bei einer Status-quo- Betrachtung sind unsere Arbeitszeiten noch hinreichend flexibel, aber die Entwicklung geht dahin, daß der Kapitaleinsatz je Arbeitsplatz durch teure Maschinen weiter steigt. Daraus folgt ein Zwang, die Maschinenlaufzeiten von den Arbeitszeiten weiter zu entkoppeln. Je kürzer die Arbeitszeiten, um so flexibler muß die Arbeit zur Auslastung der teuren Maschinen eingesetzt werden. Für unsere kurzen Arbeitszeiten und unser relativ hohes Lohnniveau müssen wir quasi diese Flexibilität als Preis bezahlen.

Einschließlich Samstagsarbeit?

Ja, bei kapitalintensiven Produktionen muß man diese bittere Pille schlucken.

Verhindern hohe Einstiegslöhne in der Metallindustrie die Einstellung von weniger qualifizierten Arbeitslosen?

Es gibt gewiß Arbeitskräfte, die bei einer geringeren Bezahlung noch unterkommen würden. Ich denke aber, daß dies eher für den Dienstleistungsbereich und nicht für die Industrie gilt. Statt auf Lohnsenkungen für Langzeitarbeitslose zu verfallen, käme es darauf an, durch gezielte Weiterbildung Qualifizierungsdefizite abzubauen und damit die Produktivität zu erhöhen.

Noch scheint ein Streik trotz Urabstimmung abwendbar.

Ja, und ich kann nur an beide Seiten appellieren, die Gespräche weiterzuführen. Es ist ja schon ein bißchen eigenartig, daß die Arbeitgeber sagen, sie akzeptierten Lohnzuwächse, um dann gleichzeitig auf eine Kostenentlastung zu dringen. Wenn der Lohnzuwachs durch Kostenentlastung ausgeglichen wird, kommt per saldo Null heraus. Teile der Unternehmen stehen zwar noch nicht so gut da, aber insgesamt ist ein Lohnzuwachs jetzt gerechtfertigt, denn die Gesamtkostenbelastung wäre nicht so dramatisch.

Interview: Walter Jakobs

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