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Das Pfingstwunder

■ Die SPD hat sich auf eine Anti-Kirch-Politik geeinigt. Klaus Gärtner, Chef der Kieler Staatskanzlei, sieht sein Land als parteiinternen Pacemaker und Peacemaker

taz: Letztes Jahr hat die SPD in der Medienpolitik noch mit tausend Zungen geredet. Die einen haben Kultur-, die anderen Standortpolitik gemacht. Gestern nun haben sich alle SPD-Länder auf eine gemeinsame Linie zur wirksamen Kontrolle der Privatsender geeinigt. Und zwar offenbar auf der Linie, die Schleswig-Holstein vorgegeben hatte: ein bundesweites Kontrollgremium der Länder mit starken Befugnissen. Warum hat das Pfingstwunder so lange gedauert?

Klaus Gärtner: Wir haben noch ein paar andere gefunden, die sich in unseren Positionen nach und nach ganz gut wiedergefunden haben. Und dann war es eine Frage der Zeit, bis auch die restlichen, die Sie fast diffamierend mit Standortpolitikern beschrieben haben, sich dann überzeugen ließen, daß so eine Lösung die bessere ist.

Kritiker sagen, daß ein bundesweites Kontrollgremium nur dazu führen wird, daß die Standortpolitik, die bislang im Streit unter den Medienanstalten ausgetragen wird, dann unter dem Tisch und undurchsichtig betrieben wird.

Wenn das Verfahren offen geführt wird, wenn geguckt wird, wer von wem abhängig ist, dann ist es zweitrangig, welches Bundesland Standort welches Senders ist.

Darüber, wie die Transparenz hergestellt werden soll, haben sich die SPD-Länder jetzt geeinigt: kartellamtsähnliche Befugnisse für das Kontrollgremium. Und Thomas Kirch muß dann belegen, daß sein Sender Pro 7 von denen seines Vaters unabhängig ist. Aber offen ist doch immer noch die Frage, wie die Konzentrationsgrenzen festgelegt werden, ob und wie entflochten werden soll.

Eins nach dem anderen. Jedenfalls waren wir mit unserem Gesetzentwurf schon mal der Pacemaker. Vielleicht sind wir bald auch der Peacemaker. Das erste und wichtigste war: Es muß Klarheit herrschen, wer mit welchen Beziehungen hinter einem Fernsehsender steht. Ob jemand auch noch Zeitungen druckt, Filme verleiht usw. Das sind Machtverhältnisse, und hier werden ja schließlich keine Säcke Reis verkauft.

Das „Marktanteilsmodell“, bei dem ein Medienkonzern z.B. nicht mehr als 25 oder 30 Prozent der Fernsehzuschauer haben darf, haben Sie persönlich für „tot“ erklärt. Was kommt statt dessen?

Es bleibt bei meiner Todeserklärung. Bei der Frage einer Entflechtung gelten die Beteiligungsverhältnisse. Wie ich gestern von anderen Chefs der SPD-Staatskanzleien erfahren habe, sehen die das auch so.

Nach geltendem Recht darf oder dürfte ein Unternehmen an einem Sender mit bis zu 49,9 und an zwei weiteren mit höchstens 24,9 Prozent beteiligt sein. Soll das so bleiben oder modifiziert werden?

Der Durchbruch ist gelungen. Über die Prozente lass' ich noch mal mit mir reden, das sind ganz witzige Spielereien, aber erst mal müssen Sie doch wissen, wem was gehört.

Aber soll denn Medienmacht, die durch die Beherrschung des Filmmarktes wie durch Kirch oder auf dem Pressemarkt entsteht, da auch eingebaut werden?

Ja natürlich muß das noch rein, wir werden das mit hohem Vergnügen ansteuern, daß diese Verflechtungen in allen Formationen bekanntwerden.

Auch so, daß jemand, der soundsoviel Prozent am Filmmarkt oder Pressemarkt hat, weniger Fernsehen veranstalten darf?

Sobald es der geschätzten Öffentlichkeit bekannt und auch gerichtsverwertbar ist, wer was macht und besitzt, ist auch das eine zweitrangige Frage.

Wenn es über die Konzentrationskontrolle keine Einigung mit den CDU/CSU-regierten Ländern gibt – kommt dann der Ätherkrieg zwischen den Bundesländern?

Krieg der Fernsehknöpfe, das find' ich süß! Bernd Neumann, der medienpolitische Sprecher der CDU, hat sich öffentlich für Transparenz und für kartellamtsähnliche Befugnisse der Medienkontrolleure ausgesprochen. Wenn er nicht die Unwahrheit gesagt hat, dann bleibt höchstens noch die CSU übrig...

Sie sind ja, wie Ihre Chefin Frau Simonis, von Hause aus Finanzpolitiker. Gemeinsam haben Sie schon vorgeschlagen, die Medienanstalten der norddeutschen Länder zusammenzulegen, um zu sparen. Sind Sie auch für die Zusammenlegung von öffentlich-rechtlichen Sendern? Schleswig-Holstein selber hat ja keine eigene Rundfunkanstalt.

Ich finde Sender immer hübsch, an denen man nicht selbst beteiligt ist. Man kann sie nämlich kritisieren. Wenn Herrschende sich dauernd über ihre „Haussender“ unterhalten, dann gehört das eigentlich in den Absolutismus. Aber ich sage Ihnen: Bei kleinen Leuten gibt's nur Kleingeld zu holen. Wenn Sie wirklich sparen wollen, dann müssen Sie das in den Strukturen der großen Sender tun.

Ihr bayerischer Kollege Erwin Huber hat letzte Woche gesagt, er könne sich eine leichte Rundfunkgebührenerhöhung doch vorstellen, wenn ARD und ZDF auf Werbung verzichten...

Die Hauptaufgabe der Öffentlich-Rechtlichen ist erst mal, ohne Gebührenerhöhungen auszukommen, also zu sparen.

Es wird also noch nicht genug gespart.

Nein, Ich habe den Kollegen beim ZDF gesagt: Mir genügt es nicht, wenn Sie bei den unteren Lohngruppen sparen. In den Hierarchien ist noch viel Luft. Interview: Michael Rediske

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