piwik no script img

Der Ball ist bunt

■ Thomas Gottschalk und Harald Schmidt wechseln zu Sat.1

Aus der Unterhaltungswelt des Fußballs kennen wir das ja: Spielt die Elf schlecht, wird erst der Trainer ausgetauscht und dann neue Leute eingekauft. In dieser Reihenfolge und in immer schnelleren Abständen. Auch da, wo das Fernsehen in der ersten Liga spielt, gelten längst die Regeln des Hire & Fire. Und seit sich neben RTL nun auch Sat.1 einen sicheren UEFA- Cup-Platz gesichert hat, arbeitet man auch bei diesem Mainzer Sender fieberhaft an der taktischen Einstellung und der entsprechenden Mannschaftsaufstellung.

Der Kanal, der sich in den Anfangsjahren als Spielfilmsender profiliert hat, meidet nun die Abseitsfalle Kinomarkt und stürmt mit einer großen Showoffensive auf das bislang noch gut gesicherte öffentlich-rechtliche Unterhaltungstor. Seit ein paar Tagen ist es amtlich: der alte Sat.1-Unterhaltungschef Knut Föckler wurde mit freundlichen Worten aus dem Amt gekickt, und sein Nachfolger Fred Kogel macht, was er schon bei seinem letzten Verein, dem ZDF, tat: er holt sich Thomas Gottschalk.

Da kann sich RTL noch so sehr beeilen, auf die recht mäßigen Quoten von dessen Late-night- Show zu verweisen und zu behaupten, man habe selber „von dem Kündigungsrecht Gebrauch gemacht“, Gottschalks Abgang bleibt für die Kölner ein Prestigeverlust. Selbst wenn Thomas Koschwitz sich nun von der Reservebank nach Mitternacht erhebt, um sich für die Gottschalk-Position warmzulaufen.

Weit tragischer ist die Lage beim Altmeister ARD. Der Weggang von Harald Schmidt, dem größten Star, den die Öffentlich- Rechtlichen seit dem Start der Privaten hervorgebracht haben, fehlt gerade jetzt schmerzlich in der Anti-Stoiber-Abwehrkette. Denn Schmidt war eben viel mehr als Gottschalk: Er war der Beckenbauer des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Ein Intellektueller in kurzen Hosen, ein Libero mit Kaiser-Format und damit nicht nur Focus- sondern durchaus auch feuilletontauglich.

Eigentlich kann man (will man?) sich Harald Schmidt bei Sat.1 so wenig vorstellen wie den letzten ARD-Getreuen Friedrich Küppersbusch. Allerdings konnte (wollte?) sich die ARD auch nicht vorstellen, einem von diesen beiden eine eigene Late-night- Schiene anzuvertrauen. Bei Sat.1 darf der Latterman-Parodist Schmidt nun nighttalken – und das kann sich sicher auch im ran-Sender Sat.1 sehenlassen.

Letztlich, auch das lehrt die Bundesliga, wird das unterhaltende Spiel eben doch nicht in den Vorständen, sondern im Stadion entschieden. Wie war das noch mit Sepp Herberger und dem Ball, der eben rund ist? Bei Sat.1 ist er vor allem bunt. Klaudia Brunst

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen