: Lärmen strengstens verboten
Behördlich verordnete Mittagsruhe zwischen 12 und 14 Uhr soll für Kinder und Baustellen gelten. Autos dürfen dank eines sündhaft teuren Tunnels unter der Erde weiterfahren ■ Aus Dresden Detlef Krell
„Das Spielen der Kinder auf dem Hof ist verboten!“ Hausbesitzer müssen derartige Schilder nicht mehr selbst aufstellen. Hier sorgt künftig das Ordnungsamt für die gewünschte Ruhe.
Im Entwurf für eine neue Polizeiverordnung, die ab September die aus dem Jahr 1986 überlieferte Stadtordnung ablösen soll, soll mittels des Paragraphen 5 der „Lärm auf Spielplätzen“ eingeschränkt werden. Befinden sich Spielplätze in der Nähe von Wohnungen, also nicht an der von OB Herbert Wagner (CDU) gewünschten Stadtautobahn, dann dürfen sie zwischen 12.30 und 14 Uhr nicht betreten werden. Das Spielverbot für Kids gilt im Rathaus als politisch durchsetzbar. Aber die Mittagsruhe wird auch von Tausenden Baustellen gestört. Dort soll, dem Entwurf des Ordnungsamtes zufolge, ebenfalls zwischen 12.30 und 14 Uhr Mittagsruhe befohlen werden. Kühne Prognose in der DSU-Fraktion: „Das wird sich nicht einhalten lassen.“
Ein mittägliches Fahrverbot für Kraftfahrzeuge indes ist nicht im Gespräch. Gleichmäßiges Räderrollen soll einem gesunden Schlaf ja durchaus dienlich sein. Dafür weist die Landeshauptstadt den Weg in den Untergrund. Oberbürgermeister Herbert Wagner (CDU) will unter der Technischen Universität einen Tunnel bauen, seinen zweiten seit 1990. Durch diese über einen Kilometer lange Röhre sollen dann bis zu 43.000 Autos täglich zur künftigen stadtnahen Autobahn fahren. 500 Millionen Mark wird die Rennstrecke kosten, aber Wagner ist zuversichtlich: „Drei Viertel davon muß der Bund zahlen.“ Es ficht ihn offenbar nicht an, daß sich die Stadtparlamentarier bereits zweimal gegen die stadtnahe Trassierung der umstrittenen Autobahn Dresden–Prag entschieden haben. SPD, PDS, Bündnisgrüne und Bürgerfraktion haben im Stadtrat die Mehrheit, und Wagner ist von dieser Mehrheit beauftragt worden, in Bonn gegen die dort bereits beschlossene Trassierung zu klagen. Statt dessen macht die CDU- Fraktion für einen Bürgerentscheid mobil.
Vielleicht sollten sich auch die Kinder mit Unterschriften gegen die verordnete Mittagsruhe wehren. Ihre Mütter und Väter werden andere Sorgen haben und bald noch weniger Zeit: Im erzgebirgischen Schwarzenberg sammeln Autofahrer Unterschriften gegen das in Sachsen geltende Verbot, an Sonn- und Feiertagen Autos zu waschen. Initiator ist der Besitzer einer Tankstelle und Waschanlage. Zwei CDU-Abgeordnete haben bereits einen entsprechenden Änderungsantrag in die Landtagsfraktion eingebracht.
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