piwik no script img

Freie Energie für alle – Hinweis auf Tesla Von Mathias Bröckers

In der Nacht vom 12. auf den 13. März 1895 zerstörte ein Feuer das Gebäude der Tesla Electric Company in New York. Das Feuer, ausgelöst von einem unachtsamen Wachmann, zerstörte das dreistöckige Gebäude vollständig, samt aller darin vorhandenen Apparate und Aufzeichnungen. Ein Teil der zerstörten Geräte war gerade bei der Weltausstellung in Chicago vorgeführt worden und hatten ihrem Erbauer, dem Physiker Nikola Tesla, den Ruf des „Größten Erfinders aller Zeiten“ eingebracht. Kurz zuvor hatte eine Regierungskommission entschieden, daß das Kraftwerk der Niagarafälle nach dem neuen Tesla-Wechselstrom- Prinzip arbeiten sollte – und nicht nach der Methode des Marktführers Edison. Das serbokroatische Wunderkind Nikola Tesla war, 39jährig, auf dem Gipfel seines Ruhms. Daß sein Name heute, anders als etwa Edison, Bell oder Röntgen, nicht mit großen Erfindungen zusammengebracht wird und nahezu unbekannt ist, hat viel mit diesem Brand vor 100 Jahren zu tun. Dutzende patentierter oder patentfähiger Prototypen, von Generatoren und Trafos über Anlagen zur drahtlosen Energieübertragung bis hin zu Radiogeräten und Kameras waren vernichtet. Teslas erste Million – für den Verkauf seines Wechselstrom-Patents an den Westinghouse-Konzern – hatte sich in Rauch aufgelöst. Dies stürzte den Erfinder in ein finanzielles Desaster, von dem er sich nie wieder richtig erholen sollte.

Die Katastrophe waren nicht verbrannte Unterlagen und Aufzeichnungen, dank seines phänomenalen Gedächtnisses hatte Tesla alle Berechnungen und Baupläne im Kopf, es waren auch nicht die (unversicherten) Prototypen und Vorführgeräte, die notfalls nachgebaut werden konnten – es war die Tatsache, daß seine Pläne um Jahrzehnte zurückgeworfen wurden. Mit der Verbesserung der bestehenden Elektrotechnnik wollte er schnell die Reichtümer erwerben, die ihm die Realisierung seines eigentlichen Plans – freie Energie für jedermann – gestatten sollten. Spätestens wenn er mit dieser Idee hervorgekommen war und auf erfolgreiche Laborversuche verwies, hatten ihn alle seine Finanziers fallenlassen. An einer drahtlosen Stromversorgung durch die Gratis-Elektrizität der Atmosphäre hatte kein Konzern Interesse: wo sollte man da einen Zähler anschließen und kassieren? Bis heute führen Teslas revolutionäre Ideen und Patente ein Schattendasein, mit seinen kleinen Erfindungen verdienten andere Milliarden, ohne daß ein Pfennig Tantieme bei ihm ankam – Tesla starb 1943 einsam und verarmt in einem New Yorker Hotelzimmer, doch waren seine Unterlagen immer noch brisant genug, um vom Geheimdienst beschlagnahmt zu werden. Aus der Not, daß niemand „Freie Energie“ finanzieren wollte, hatte Tesla mit seinem drahtlosen Hochspannungskonzept eine interkontinentale „Todesstrahl“-Waffe entwickelt und nach Tests mit verheerender Destruktionswirkung dem US-Militär angeboten. Eine Art Öko-Atombombe – doch seine Vision, damit den Weltfrieden zu sichern und Kernwaffen überflüssig zu machen, füllte allenfalls die Seiten der Yellow Press. Hätte es in den Iden des Märzes 1895 nicht gebrannt – wahrscheinlich hätte Tesla der Welt Hiroshima und die destruktive friedliche Nutzung von Kernenergie ersparen können.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen