■ Mit Südkoreas Wirtschaft auf du und du: Über die Schwelle
Berlin (taz) – Südkorea befindet sich an einem Scheideweg: Schafft es den Sprung zum Industrieland, oder bleibt es ein Schwellenland? Die südkoreanische Regierung bemüht sich jedenfalls zur Zeit, wirtschaftliche Stärke zu demonstrieren. Am Freitag, so wurde jetzt angekündigt, wird Südkorea vertraglich auf sein Recht verzichten, von der Weltbank in Zukunft noch Kredite zu bekommen. Damit wäre dieses Zeichen wirtschaftlicher Schwäche abgelegt. Südkoreas Politiker hoffen nun, daß ihr Land im nächsten Jahr von der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit, aufgenommen wird.
Die Exporterfolge Südkoreas sind beachtlich: Mittlerweile liegt das Land auf der Hitliste der Handelsmächte auf dem 13. Platz. Doch dieser Erfolg hat eine schmale Basis. Denn Südkorea führt hauptsächlich Schiffe und Autos aus. 740.000 Autos exportierte Südkorea im letzten Jahr (taz vom 28.2.), doch nur wenige tausend durften importiert werden. Erreicht wird dies durch hohe Zölle, aber auch andere Handelshindernisse wie zum Beispiel komplizierte Zulassungsverfahren, Beschränkungen bei der TV-Werbung oder Steuerfahndung bei Käufern von ausländischen Autos. Hinter diesen Schutzmauern kann sich dann die eigene Industrie frei entfalten. Die US-Regierung übt bereits einigen Druck auf die Regierung in Seoul aus, dies zu ändern, und die europäischen Autohersteller drängen auf Handelssanktionen der Europäischen Union.
Zudem hat Südkorea, ähnlich wie früher Japan, den Ruf, ausländische Technologie zu kopieren. Allerdings gereicht gerade dies dem Land inzwischen zum Schaden. Denn ausländische Investoren, die man dringend nötig hätte, halten sich stark zurück. Unter anderem fürchten sie, daß ihnen in Joint- ventures ihre Kronjuwelen geklaut werden. Auch sonst ist Südkorea als Produktionsstandort nicht mehr allzu beliebt. Die Lohnkosten sind – jedenfalls verglichen mit benachbarten Ländern wie Vietnam, den Philippinen oder China – hoch. Zudem fürchten westliche Investoren ein erneutes Aufflammen von gewaltsamen Arbeiter- und Studentenprotesten.
Die südkoreanische Regierung hat schon einige Male versprochen, das Land stärker zu öffnen und die Wirtschaft, die bislang von Kartellen und Staatsfirmen beherrscht wird, zu liberalisieren. Solche Reformen sind nach Einschätzung von Wirtschaftsfachleuten dringend nötig. Derzeit ist die Produktivität eher fallend, Forschung und Entwicklung sind schwach. Gerade wegen der hohen Lohnkosten muß Südkorea aber auf weniger arbeitsintesive High-Tech-Produktion setzten, meinen ausländische Experten. Nicola Liebert
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