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Vögel oder Klima schützen?

Traditionelle Naturschützer kämpfen gegen Windräder, weil sie die Vögel stören / Die AKW-Lobby freut sich über den Streit unter Umweltschützern  ■ Von Heinz Suhr

Bonn (taz) – Die Atomlobby frohlockt. Im neuesten Informationsblättchen Energie-Trends (Untertitel: „Kernenergie im Kontext“) weist der Informationskreis Kernenergie mit Sitz in Bonn freudestrahlend auf die Probleme bei der Einführung der Windkraft hin. „Brokdorf, Kalkar und Wackersdorf“, heißt es da, „sind Orte, die niemand kennen würde, wären sie nicht ehemals Schauplätze der Auseinandersetzungen um die Kernenergie gewesen. Emmelsbüll, Galmsbüll und Garding sind nordfriesische Ortschaften, in denen jetzt in Miniaturgröße Vergleichbares abläuft. Allerdings geht es hier um Windenergie.“

Genüßlich wird ausgebreitet, wie Naturschützer die „Verschandelung“ der Landschaft durch Windgeneratoren kritisieren, während auf der anderen Seite „meistens Bauern auf der Suche nach einer zusätzlichen Einnahmequelle oder auch professionelle Investoren-Gemeinschaften“ stünden, die entdeckt haben, daß „aufgrund der staatlichen Subventionen und der günstigen Abnahmepreise für den Windenergiestrom ein lukratives Geschäft möglich ist“.

Insgesamt 2.600 Windkraftanlagen arbeiten zur Zeit in der Bundesrepublik; die angeblich „günstigen Abnahmepreise“, die die Betreiber bekommen, liegen seit dem Einspeisegesetz von 1990 bei 16,9 Pfennig pro Kilowattstunde Strom – und damit noch unter den Preisen, die die Energieversorger von privaten Verbrauchern verlangen. Trotzdem hat das Einspeisegesetz die Bedingungen für Windenergie deutlich verbessert, was der AKW- Lobby so unangenehm ist wie den Energieversorgern. Deshalb tobt derzeit hinter den Kulissen eine harte Auseinandersetzung darüber, was im Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums über die Erfahrungen mit dem Einspeisegesetz von 1990 stehen darf und soll.

Die Energieversorger kritisieren die „Kostenlast“, die durch diese „hohen Abnahmepreise“ für die Windenergie entstünden. Und die AKW-Lobby argumentiert ähnlich: Die „versteckte Subvention“, so der Informationskreis Kernenergie, habe etwa die Rendsburger Schleswag in drei Jahren unglaubliche 90 Millionen Mark gekostet. Das sind zwar im Vergleich zu den rund 40 Milliarden Mark, die die öffentliche Hand zur Installation der Atomenergie investiert hat, nicht einmal Peanuts, aber damit läßt sich trefflich Stimmung gegen die rentable Windenergie machen.

Für die Einspeisung in das öffentliche Stromnetz entstünden durch zusätzliche Umspannwerke, Transformatoren und verstärkte Leitungen weitere anteilige Kosten von rund 170.000 Mark bei einer 500-Kilowatt-Anlage. Ein leichtes Schaudern und Zittern ist zwischen den Zeilen der Atomstromer zu lesen, wenn sie feststellen, daß man in den Ländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein plant, bis zum Jahr 2000 rund 2.000 Megawatt Windkraftleistung zu installieren.

Doch selbst in der Unionsfraktion sitzen starke Befürworter der erneuerbaren Energien, speziell der Windenergie. Denn Windräder produzieren kein CO2, schützen also das Klima. Außerdem sind sie mittlerweile ziemlich effizient, was auch die CDU-Abgeordneten Harry Peter Carstensen und Dietrich Austermann bestätigen können, die beide selbst zu den Windmüllern in Schleswig-Holstein zählen. Auch Bundesbauminister Klaus Töpfer befürworte eine Privilegierung von Windanlagen im Paragraph 35 des Baugesetzbuches, weil sie im öffentlichen Interesse lägen.

Parallel zu diesen Diskussionen zwischen Ministerien und Politikern dreht die öffentliche Auseinandersetzung um Bau und Genehmigung von Windkraftanlagen auf vollen Touren: von den Küsten über die windreichen Mittelgebirge wie die Rhön, den Harz, das Knüllgebirge, Erz- und Fichtelgebirge bis zum Schwarzwald, dem Bayerischen Wald und hin zu den Alpen. Oft muß das Birkhuhn oder der Birkhahn herhalten, um Biotope vor Windanlagen zu schützen. Daß sich die Landschaften durch erneuerbare Energien verändern werden, wollen einige Naturschützer nicht akzeptieren. So kämpft etwa der Hammelburger Hans- Josef Fell seit 1988 für einige Windräder in der Rhön, aber der Rhönklub, ein Wander- und Naturverein, wußte dies bislang zu verhindern. Wie in anderen Bundesländern streitet man sich auch im BUND Bayern um Für und Wider von Windanlagen. Doch in der Rhön, meinen Fachleute, bleibt außer der Landschaftsästhetik kein Argument gegen die Nutzung der Windenergie übrig. Der örtliche BUND-Vorsitzende Karl Zeitler weiß, daß auch ohne Windräder die Zahl der Birkhähne von zweiunddreißig auf siebzehn zurückgegangen ist und daß man die Windanlagen fälschlicherweise für den drohendem Artenverlust verantwortlich gemacht hatte.

Dabei wird in der Rhön nun an ganz neuen Fronten für den Wind gekämpft. Einige Windfans aus der Nähe des Truppenübungsplatzes Wildflecken in der Rhön wollen auf dem Bundeswehrgelände 17 Windkraftanlagen installieren, wenn es das Verteidigungsministerium zuläßt. „Grundsätzlich“, so Robert Römmelt von der Initiative, habe die Hardthöhe schon der Windnutzung zugestimmt, nur am falschen, windarmen Standort.

Nun mobilisieren die Rhöner eine ganze Reihe von Politikern, um Rühe die Imageverbesserung der Bundeswehr durch eine Wind- Offensive nahezubringen. Fraktionsübergreifend sind Norbert Blüm (CDU), Hermann Scheer, Horst Ehmke (beide SPD), Eduard Lintner (CSU), Christine Scheel (Grüne) und Susanne Kastner (SPD) engagiert, um mit Hilfe des Verteidigungsministers in der Rhön den Durchbruch für die Windenergie zu schaffen und so die Bundeswehr für die Sicherung der Energieversorgung einzuspannen.

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