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Die Schatten der Agusta: Ein Nato-Chef in Nöten

■ Schmiergeldaffäre holt Willy Claes ein

Brüssel (taz) – Für Nato-Generalsekretär Willy Claes wird das Eis immer dünner. Belgische Politiker fordern seinen Rücktritt, in den Nato-Botschaften in Brüssel wird darüber diskutiert, ob er sein Amt zumindest für einige Zeit ruhen lassen sollte, bis Klarheit herrscht, wieweit er in die belgische Agusta-Affäre verstrickt ist. Seit Claes vor einigen Tagen eingestanden hat, vom Schmiergeldangebot der italienischen Hubschrauber-Firma Agusta gewußt zu haben, bereitet sich die Nato auf einen möglichen Rücktritt vor.

1989 hatte Claes als belgischer Wirtschaftsminister dem umstrittenen Kauf von 46 italienischen Hubschraubern der Firma Agusta zugestimmt. Umgerechnet 700.000 Mark, ermittelte die Staatsanwaltschaft inzwischen, zahlte Agusta damals an die wallonischen und 2,5 Millionen an die flämischen Sozialisten. Vor einem Jahr mußten bereits drei wallonische Minister ihren Hut nehmen.

Der flämische Sozialist Willy Claes, der lange Zeit beteuerte, von dem Deal nichts gewußt zu haben, wurde letzte Woche von Außenminister Frank Vandenbroucke an ein gemeinsames Mittagessen 1989 erinnert, bei dem sie über das italienische Angebot gesprochen hatten. Allerdings versichern beide, daß sie die Spende abgelehnt hätten – der Schatzmeister ihrer Partei habe danach eigenmächtig und gegen ihren Willen gehandelt.

Seitdem zieht Claes alle Register der Geheimdiplomatie, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Am Wochenende reiste er überstürzt zu Gesprächen nach Washington, am Montag versetzte er im Brüsseler Hauptquartier die wartenden Journalisten und traf sich statt dessen zu einem intimen Lunch mit Vandenbroucke. Danach gaben beide gegenüber der belgischen Justiz eine Erklärung ab, deren Inhalt streng vertraulich behandelt wird. Vandenbroucke denkt bereits laut über seinen Rücktritt als Außenminister nach. Claes und er haben offensichtlich gleichviel gewußt. Alois Berger

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