: Der Lockruf des Westens
Keiner kennt sie in Bremen, trotzdem will die PDS zur Bürgerschaftswahl im Mai antreten / Immerhin erreichte sie hier bei der Bundestagswahl ihr bestes westdeutsches Ergebnis ■ Aus Bremen Jochen Grabler
Das hatte sich die Bremer PDS so hübsch gedacht: Die Bremer Bürgerschaftswahl, ursprünglich für den September geplant, bot endlich eine Chance, mit wenig Aufwand in ein westdeutsches Landesparlament einzuziehen. Im August sollte ein PDS-Bundesparteitag in Bremen stattfinden, Superstar Gysi sollte zum Straßenwahlkampf einschweben... Doch dann kam alles ganz anders. Nach dem Zusammenbruch der Bremer Ampel werden nun am 14. Mai vorgezogene Neuwahlen stattfinden. Und die erste große Verliererin könnte die PDS sein.
Bei der Bundestagswahl hatte Gysis bunte Truppe mit 2,7 Prozent im Land Bremen ihr bestes West-Ergebnis eingefahren. Ein paar pfiffige Plakate, der Gysi- Mythos und der Hang zur linken Fundamentalopposition, den ein Teil der Bremer Szene pflegt, hatten ausgereicht. Nahtlos auf die heutige Situation könne man das Bundestags-Ergebnis nicht übertragen, meint die Bremer PDS- Bundestagsabgeordnete Heidi Knake-Werner. Aber schließlich wolle die PDS eine gesamtdeutsche Partei werden. Wo das gelingen könnte, ist der ehemaligen DKP-Vorsitzenden klar: „Wo sonst, wenn nicht in Bremen. Hier gibt es eine entwickelte linke Kultur.“
Ob ihr diese linke Kultur da folgen kann, ist mittlerweile mehr als fraglich. Denn landespolitisch ist die PDS bislang kaum in Erscheinung getreten. Bremen ist politisiert wie schon lange nicht mehr: Die ungeliebte Ampel ist zerbrochen, und die Bremer Politik scheint sich klar in ein rot-grünes und ein schwarz-gelb-graues Lager zu sortieren. Wobei die Farbe Grau für die politischen Newcomer des Jahres steht: „Arbeit für Bremen“, eine Abspaltung vom rechten Flügel der SPD, geführt vom Bremer Sparkassendirektor. Die hat mit ihrer Mischung aus traditioneller Wirtschaftspolitik und populistischen Sprüchen reichlich Rückenwind. Alle Umfragen sehen die AfB in der Bürgerschaft.
Die Bremer Politik sortiert sich, die PDS ist nicht dabei. Kein Wunder: Gerade mal 50 Köpfe zählt der PDS-Landesverband, über einen Stamm früherer DKP-ReformerInnen ist die Bremer Partei bislang kaum hinausgekommen. Außerdem begann man erst im Dezember letzten Jahres damit, sich landespolitischen Themen zu widmen, vor allem einem Thema: Ein Teil der Bremer Stadtwerke soll in naher Zukunft verkauft werden, um dem maroden Staatshaushalt über die nächste Runde zu helfen. Das hat die Grünen in eine ziemliche Klemme gebracht, denn unter den interessiertesten Kaufanwärtern befinden sich vor allem Atomstromproduzenten. In diese Lücke stieß die PDS. Ihr Motto: Kein Verkauf an Atomstromproduzenten. Unterstützt wird die PDS dabei von Bremer Energieexperten, grünen Kreisverbänden und sogar einem grünen Bürgerschaftsabgeordneten. Das brachte die Grünen in arge politische Bedrängnis. Doch auch hier wird die Neuwahl der PDS einen Strich durch die Rechnung machen. Die Zeit bis zur Wahl ist zu kurz, um beim Thema Atomstrom noch Massen zu mobilisieren und hernach den Gewinn in Wahlprozenten einzufahren. Zudem blieb der Stadtwerke-Verkauf das einzige Thema, bei dem aufmerksame BremerInnen das dünne Stimmchen der PDS im politischen Chor hören konnten. Ging es um die Verkehrspolitik, Finanzen, die wirtschaftliche Zukunft des schwer angeschlagenen Stadtstaates, so hatte die PDS nichts zu sagen.
Daß die Partei dennoch an den Bürgerschaftswahlen teilnimmt, ist beschlossene Sache. Nachdem der Bundesvorstand grünes Licht gegeben hatte, traf sich in der vergangenen Woche eine dreiköpfige Delegation aus der Zentrale mit den Bremer Genossen. Das Motto: Wenn die Chancen für Rot nicht besonders rosig sind, dann muß geklotzt werden. 200.000 Mark will die Zentrale für die Wahlkampflogistik zuschießen. Gleich vier Mitglieder des Bundesvorstandes werden als politische ErntehelferInnen an die Weser delegiert. Und Berlin schickt die erste Garde: André Brie persönlich soll die Geschicke leiten. Ein Autor für das Bremer Landes-Wahlprogramm steht auch schon fest. Der kommt aus Hamburg und ist in der Republik wohlbekannt: Jürgen Reents, ehemals Kommunistischer Bund, ehemals GAL Hamburg, dann Grüner im Bundesvorstand, Grüner im Bundestag und jetzt Pressesprecher der PDS. Ein ausgewiesener Bundespolitiker, in Bremen hat man den Mann allerdings selten gesehen.
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