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Prügelorgien auf der Tagesordnung

Kunstraum wildes KZ: Künstler erinnern an die lange in Vergessenheit geratenen Folterkeller der SA in der einstigen Kaserne in der Schöneberger General-Pape-Straße  ■ Von Rolf Lautenschläger

Zeichnungen sind in die Kellerwand geritzt, Hilferufe, Daten, wie sie nur Gefängnismauern kennen. Die Ritzungen überziehen den Putz: „15. Januar 1933“, daneben der Schattenriß eines Männerkopfes. Hakenkreuze, „Jude“, Feldstandarten. Vom düsteren Mittelgang des Gewölbes zweigen seitlich sechs Kellerräume ab, in denen sich die Spuren der Täter und Opfer von einst fortsetzen. „Seit Anfang der achtziger Jahre ist bekannt“, sagt der Bildhauer Rolf Scholz, „daß sich in den einstigen Kasernen an der Tempelhofer General-Pape-Straße Folterkeller der SA befanden“.

Der genaue Ort der Mißhandlungen und Ermordungen konnte aber erst jetzt lokalisiert werden. Er habe, so Scholz, mit anderen Künstlern, die wie er in Ateliers auf dem Gelände arbeiten, in den vergangenen zwei Jahren „weiter nach Spuren der authentischen Orte, zu denen es keine historischen Untersuchungen gibt, gesucht“. Und diese gefunden: Listen mit den Namen von ehemals Inhaftierten wurden entdeckt, frühere Häftlinge angeschrieben. Ein Zeitzeuge zeigte Scholz auf Grundrissen des 1905 fertigestellten Kasernenkomplexes die SA-Häuser und -Zellen, in denen Scholz schließlich die „schrecklichen“ Inschriften und Ritzungen fand, die nun von den Künstlern dokumentiert werden.

1933 stand das Wort „Pape- Straße“ in Berlin synonym für SA- Terror, Folter und Mord. In den Kellern der Kaserne hielt die Feldpolizei der SA-Gruppe Berlin- Brandenburg Gegner des Naziregimes fest, quälte und ermordete sie.

„Man kann das SA-Gefängnis durchaus als „wildes KZ“ bezeichnen“, betont Scholz, „in dem wie an keinem anderen Ort Berlins 1933 Menschen ohne Haftbefehl eingesperrt, mißhandelt und umgebracht wurden.“ Erinnerungen von Überlebenden bezeugten, daß in den Kellern Prügelorgien an der Tagesordnung waren.

In einem Interview, das Scholz und seine Mitstreiter in der Ausstellung dokumentieren, erinnert sich Professor Erich Simenauer, Chirurg am Urban-Krankenhaus, an seine Inhaftierung in der General-Pape-Straße: „Zufällig war einer unserer Bewacher ein ehemaliger Patient von mir. Um sich mir erkenntlich zu zeigen, veranlaßte er, daß auf der Rückseite meines Laufzettels vermerkt wurde: ,nicht mißhandeln‘. Als in der folgenden Nacht die SA-Wachmannschaft eine wilde Prügelorgie veranstaltete, wurde ich verschont. Rechts und links von mir wurden einige Leute mit Knüppeln so lange geschlagen, bis sie tot waren – es war entsetzlich.“ Auch in der Literatur wurde der Ort thematisiert: Lion Feuchtwanger, Paul Zech und Jan Petersen beschrieben in ihren Romanen das Kasernengelände an der General-Pape-Straße.

Ende 1933 wurden die SA-Feldjäger in die Kaserne in der Kleinen Alexanderstraße im Berliner Bezirk Mitte verlegt. Der frühe Nazi- Terror hatte in dem „wilden KZ“ Hunderten von Menschen das Leben gekostet. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurden auf dem Areal Abteilungen der Wehrmacht untergebracht. Seit 1949 verwaltet das Bundesvermögensamt die Backsteinbauten und vermietet sie an Gewerbebetriebe, als Lagerraum, für Büros, Wohnungen und Ateliers.

Die Spuren des SA-Gefängnisses sind heute verblichen – kein Wunder, denn die Kellerräume wurden von den Mietern als Abstellkammern, Kohlenkeller und anderes genutzt. „An den Wänden hingen Regale, vor den Inschriften standen Schränke“, sagt Scholz. Es sei nichts Ungewöhnliches, daß dahinter die Chiffren langsam verdrängt wurden und in Vergessenheit geraten konnten.

Die „Freilegung“ des wilden KZ und den ersten öffentlichen Zutritt unterlegten die Künstler mit Arbeiten als Reaktion auf diesen Fund. „Schönschminken“ heißt etwa eine Arbeit von Marosch Schröder, die mit überpinselten Zeitungsseiten und freigekratzten Flächen das Verdecken und Enthüllen von Geschichte thematisiert. „Der Ofen“ von Gabriele Heidecker ist eine Installation im Heizungskeller mit eingeschweißten Fleischstücken, Aschewannen und einem leeren Stuhl. Es ist nicht schwer, an dem Ort die Verbrennungsöfen in den KZs zu assoziieren. Zugleich wird der konkrete Ort durch die Hinzufügungen in seiner Bedeutung nicht nur künstlich gesteigert, sondern zu einem Objekt des Schreckens verfremdet.

Der öffentliche Zugang und der Besuch der Ausstellung „SA-Gefängnis General-Pape-Straße“ sind vom 5. März bis 12. März möglich. Täglich von 11 bis 19 Uhr. Tempelhof, Werner-Voß-Damm 54a.

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