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■ Lieber keine als eine schlechte Regierung in Polen?Die Geburt der roten Maus

In Polen hat ein Berg gekreißt und eine postkommunistische Maus geboren. Walesas Drohgebärden waren stark genug, die Koalition aus früher kommunistischen Sozialdemokraten und der früheren Blockflöte PSL, der Polnischen Bauernpartei, zu erschüttern und Premier Pawlak zu stürzen. Für wirkliche Änderungen war der Druck zu schwach. So ist nach wochenlangen Verhandlungen zwischen den Koalitionspartnern nur herausgekommen, daß Polen nun einen etwas sympathischeren Premier mit einem etwas besseren politischen Stil haben wird. Einige von Korruptionsvorwürfen schwer belastete Minister ließen sich nicht halten. Was in stabileren Demokratien die öffentliche Meinung erledigt, mußte Walesa mit der massiven Drohung, das Parlament aufzulösen, durchsetzen. Mehr war bis jetzt nicht drin.

Jozef Oleksy, der erste höhere kommunistische Funktionär, der im demokratischen Polen Premierminister wird, hat bereits angekündigt, er werde die Politik seines Vorgängers weiterführen. Anders ist das in dieser Koalition auch kaum möglich, will er nicht die PSL-Hinterbänkler, deren Basis und große Teile seiner eigenen Basis gegen sich aufbringen. Bisher hat noch jede Regierung in Polen die Reformen, die sie im Wahlkampf bekämpfte, danach weitergemacht – weil ihre Notwendigkeit in der politischen Elite des Landes außer Frage stand. Jede Partei hat dafür vom Wähler einen Denkzettel bekommen. Keine Regierung vor Pawlak hatte allerdings eine so breite Parlamentsmehrheit und hat dennoch versucht, sich so billig davonzustehlen. Wenn jemand die unbestritten notwendigen, aber in Wählerstimmen gemessen äußerst teuren Reformen der Sozial- und Rentenversicherung durchziehen konnte, dann diese Regierung. Sie hat sie statt dessen vertagt, aus Furcht vor der Reaktion der Wähler.

Es ist wenig wahrscheinlich, daß sich Walesa mit dieser Demonstration seiner Macht zufrieden gibt. Dem Fernziel, seiner Wiederwahl im Herbst, ist er damit noch kaum nähergekommen, seinem Nahziel, eine reformfreundlichere Regierung aus Ex-Kommunisten und Ex-Dissidenten nach ungarischem Vorbild zusammenzubringen, auch nicht. Folgt man seiner Interpretation der Verfassung, hat er noch einige Möglichkeiten, der Koalition Knüppel zwischen die Füße zu werfen, nach dem Motto: „Lieber gar keine als eine schlechte Regierung.“ Doch je länger das dauert, desto fragwürdiger wird diese Maxime, und desto höher werden die Kosten. Schließlich macht es ja keinen Unterschied, ob in Polen keine Reformen stattfinden, weil sie die Regierung nicht will oder weil es gar keine Regierung gibt. Klaus Bachmann

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