: Weltklimagipfel in der Provinz
Berlin ist nicht auf die UNO-Großveranstaltung vorbereitet / Staatssekretär verlegt sich nach dreijähriger Planung auf „eher spontane Sachen“ ■ Von Christian Arns
Berlin (taz) – Das lieben die Berliner: Die ganze Welt blickt auf ihre Stadt. Wenn am 28. März der UNO-Klimagipfel eröffnet wird, wird dies der größte internationale Kongreß in der Stadt seit der Tagung des Währungsfonds vor sieben Jahren. Zur ersten Vertragsstaatenkonferenz der Klimakonvention von Rio werden rund 1.500 Regierungsvertreter der 166 Mitgliedsländer erwartet. Die Bundesregierung hatte sie in Brasilien zum ersten Folgetreffen nach Berlin eingeladen. Neben den offiziellen Delegationen planen gut 1.500 Fachleute von Nichtregierungsorganisationen (NRO) und 2.000 Journalisten, zur Konferenz zu kommen. Parallel zum Gipfel findet eine Klimaschutz-Messe statt.
Während die UNO offizieller Veranstalter und die Bundesregierung Gastgeber der Konferenz ist, hatte die Berliner Landesregierung ein umfangreiches Rahmenprogramm angekündigt. Mit spektakulären Aktionen, informativen Veranstaltungen und Volksfesten sollte vor allem die Bevölkerung angesprochen und für den Klimaschutz begeistert werden. Doch die Zeichen mehren sich, daß der Senat dieses selbstgesteckte Ziel völlig verfehlt.
Einige zentrale Programmpunkte wurden inzwischen vom zuständigen Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz, Volker Hassemer (CDU), gestrichen. Für die NROs ist besonders ärgerlich, daß das große Volksfest am Palast der Republik dazugehört, zu dem eine halbe Million Menschen erwartet wurden. Dieses hätte ihnen die Möglichkeit gegeben, an Informationsständen auch die Menschen zu erreichen, die sich bislang noch nicht für Treibhauseffekt und Klimaschutz interessieren. Doch das zweiwöchige Treiben fällt mit der Begründung aus, daß sich nicht genug private Sponsoren gefunden haben.
Innerhalb der Senatsverwaltung werden allerdings mittlerweile die Stimmen lauter, daß auch niemand ernsthaft nach ihnen gesucht habe. Die Vorwürfe gegen Hassemer, die von seinen Mitarbeitern noch hinter vorgehaltener Hand erhoben werden, reichen von Schlamperei bis Desinteresse. Bisher richtet sich die Kritik noch nicht gegen Berlins Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen, da dieser den Gipfel nicht zur Chefsache gemacht hat. Wenn das Rahmenprogramm jedoch ins Wasser fallen sollte, wird die Kritik wohl auch ihn treffen.
Eine weitere Streichung nährt diese Befürchtung: Geplant war eine zwölf Meter hohe Eispyramide, die während der Klimakonferenz symbolisch für die beiden Pole hatte dahinschmelzen sollen. Hassemer selbst hatte bereits Bedenken wegen des ungeheuren Energieaufwands für die Herstellung geäußert, doch das Grübeln erübrigte sich: Auch dieses Projekt zerrann wegen Geldmangels. Und fast zur gleichen Zeit zog Hassemers Verwaltung die Zusage an die umweltpolitischen Initiativen zurück, deren Standgebühren für die Klimaschutz-Messe wenigstens teilweise zu übernehmen: kein Geld. Die meisten Gruppen werden sich nun nicht darstellen können.
Erst als die ersten geplanten Veranstaltungen gestrichen waren, lud Senator Hassemer vor wenigen Wochen einige Firmenvertreter in den Botanischen Garten ein, um für sie in einem Gewächshaus ein tropisches Gewitter inszenieren zu lassen. Der erhoffte Geld-Regen blieb dennoch aus.
Hassemers Staatssekretär Wolfgang Branoner schwenkte daraufhin um und kündigte an, die Landesregierung werde nun „eher spontan Sachen an einem Tag“ machen und „kurzfristig die entsprechenden Leute einladen“. Dieser Richtungswechsel stieß bei den NROs auf fassungslose Empörung.
Auf die Bevölkerung wird der Berliner Senat also verzichten müssen, zumal sie bislang kein bißchen mobilisiert wurde. Eine Image-Kampagne für den Klimaschutz gibt es bisher nicht. Das war völlig anders, als sich Berlin nicht durch den Umweltschutz, sondern mit der Ausrichtung der Olympiade als Metropole darstellen wollte. Damals wurden alle verfügbaren Kräfte mobilisiert, Diepgen und Co. gaben sich bei allen möglichen Finanziers die Klinke in die Hand. Damals hatte die Olympia GmbH im Ribbeckhaus ihren Sitz, heute arbeitet dort die AG Klimakonferenz. Doch auch hier herrscht noch keine rege Betriebsamkeit. Weite Teile des Tages sind Mitarbeiterinnen auf sich gestellt, die gegenüber der Presse keine Auskünfte erteilen dürfen.
Weiteres Ärgernis: Zwar verpflichtete sich die Landesregierung durch den Beitritt zum Klimabündnis europäischer Städte, den Kohlendioxidausstoß bis zum Jahr 2010 zu halbieren. Das neue Energiekonzept des Senats sieht bis dahin jedoch nur eine Reduzierung um 25 Prozent vor. Und selbst das wird von Umweltinitiativen angezweifelt. Grund: Das Geld, das laut einem Prognos-Gutachten ausgegeben werden müßte, um das Ziel zu erreichen, taucht im Haushalt gar nicht auf.
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