: „Unsere Farbe ist rot“
■ Wahlkampfauftakt der Bremer SPD mit Rudolf Scharping und Regine Hildebrand
„Unsere Farbe ist rot“, donnerte Klaus Wedemeier in den voll besetzten Saal des Bremer Congreßzentrums. „Wir haben die Chance, unserer Farbe wieder zum Durchbruch zu verhelfen.“ Leiser, Leiser riefen einige. „Kann man das nicht aussteuern“, fragt Wedemeier, „im Zeitalter der Hochtechnologie?“
Weit über 1000 Mitglieder der Bremer SPD waren zur „ersten Mitgliederversammlung in der Geschichte der Bremer SPD“ (Vorsitzende Wischer) gekommen, um sich auf den Wahlkampf einstimmen zu lassen. Über das Programm sollte nicht geredet werden - Wahlurnen standen da, in denen Mitglieder ihre Meinung einwerfen konnten. Klaus Wedemeier, der Kandidat, ist diesmal das Programm. „Profil durch Beweis von Konsensfähigkeit“ wolle die Partei zeigen, versicherte die Vorsitzende Wischer. Der Entwurf unter dem anspruchsvollen Namen „Bremen-Plan“ formuliert den Konsens deshalb auf allgemeinstem Niveau. In einer Frage schien Wischer sich festzulegen: „Hände weg von der Gewoba und von der Stäwog“, rief sie in den Saal. Daß auch der Konsens über die Hemelinger Marsch - sie soll nun nach SPD-Willen Gewerbegebiet werden - abweichend von früheren SPD-Beschlußfassungen gesucht wird, erklärte Wischer ganz einfach: es liege im Interesse der „Lebensqualität der Menschen in Hemelingen“.
Wenn Politik so einfach wird, dann wird sich auch wieder schön. „In der SPD gibt es mehr Umweltschützer als die Grünen Mitglieder haben“, erklärte Wedemeier. Soweit zu den Grünen. Bei Investitionen geht es um Arbeitsplatzeffekte und nicht um Mitnahmeeffekte“, „Herr Jäger, Trittbrettfahrer braucht dieses Land nicht.“ Soviel zur FDP-Wirtschaftspolitik. „Wer arbeitet, macht auch Fehler, das unterscheidet uns von Herrn Nölle“. Soviel zu dem Herausforderer von der CDU. „Wir waren der einzige stabile Faktor“, soviel zur eigenen Rolle in der Ampel.
Natürlich freute sich die Mitgliedschaft über soviel demonstratives Selbstbewußtsein, Wedemeier, der Wirtschaftspolitiker, Wedemeier, der Sozialpolitiker, Wedemeier, das verkörperte Profil durch Konsens.
Wohnen, Arbeit, soziale Sicherheit - damit unterstrich Wedemeier die moralische Legitimation für den Machtanspruch der SPD, und er hofft offensichtlich, daß er mit einer Formel „40 plus X“ nicht mehr auf Koalitionspartner angewiesen ist. Gerhard Schröder hatte dieses Glück mit 43 Prozent, weil die Stimmen für die FDP verloren waren. SPD-Bundesvorsitzender Scharping stimmte in die scharfen Töne gegen die FDP aus bundespolitischen Überlegungen ein: „Glauben Sie im Ernst, in der deutschen Politik würde jemand irgend etwas vermissen, wenn es die FDP nicht mehr gäbe?“
In Niedersachsen hatte die SPD allerdings keine Sorge damit, daß gleich reihenweise altgediente Mitglieder austraten und eine konkurrierende Gruppe aufmachten. Stimmenverluste an die AfB, diese Angst geht in der SPD um, würden alle Kalkulationen durcheinanderbringen - und vorsichtshalber faßt man deshalb die AfB mit Samthandschuhen an - man könnte die empfindlichen Honoratioren noch einmal brauchen.
Um das soziale Profil ordentlich herauszustreichen - und das könnte gegen die AfB-Angst helfen - war Regine Hildebrand aus Brandenburg eingeladen worden. Sie brandmarkte den sozialen Abbau der Ära Kohl, kämpfte sichtlich mit allen ihren Gliedmaßen für jeden hilfsbedürftigen Menschen und lobte die Leistungen der Bremer Sozialpolitik, daß es eine Freude sein muß, der Partei anzugehören, die sich das alles gutschreiben darf. Diese Frau hat ein seltenes Talent, Menschen zu begeistern, „bei der Stange halten der Menschen“ nennt sie selbst das. Solche Reden helfen über die Widrigkeiten des grauen Politik-Alltages hinweg. Nach ihrer Rede wußten zumindest alle SPD-Mitglieder im Saal, was sie am 14. Mai tun.
K.W.
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