: „Ich kann zwischendurch einkaufen“
■ Der Berliner HBV-Chef Manfred Birkhahn kritisiert Radunskis Vorschlag zu neuen Ladenschlußzeiten : Auch die bestehenden Einkaufsmöglichkeiten seien ausreichend
taz: Der Senator für Bundesangelegenheiten, Peter Radunski, hat vorgeschlagen, in Berlin drei Jahre lang dem Einzelhandel die Entscheidung über die Ladenschlußzeiten zu überlassen. Lassen Sie mich raten: Sie sind gegen diesen Versuch?
Manfred Birkhahn: Sie haben richtig geraten.
Warum sind Sie dagegen?
Wir interpretieren den Vorschlag von Senator Radunski als Versuch, auf diesem Weg das Ladenschlußgesetz gänzlich abzuschaffen.
Hat es einmal eine Untersuchung gegeben, wie die HBV- Mitglieder als Verbraucher längere Öffnungszeiten beurteilen?
Unsere Mitglieder haben natürlich keine schizophrene Haltung. Die große Mehrheit meint, daß die zur Zeit geltenden Ladenöffnungszeiten vollkommen ausreichen.
Aber viele Berufstätige können nur abends einkaufen. Gibt es seitens der HBV Vorschläge, wie dafür Möglichkeiten geschaffen werden können?
Wir argumentieren zu Recht damit, daß es seit Inkrafttreten des Ladenschlußgesetzes Arbeitszeitreduzierungen in großem Umfang gegeben hat. Zum zweiten gibt es ein großes Maß an Teilzeitarbeitsplätzen, so daß wesentlich mehr Zeit zum Einkaufen zur Verfügung steht. Außerdem bietet das Gesetz jetzt schon Möglichkeiten für längere Öffnungszeiten, die vom Unternehmer nicht genutzt werden.
Und das führen Sie darauf zurück, daß beim Verbraucher kein Bedürfnis danach besteht?
Das Bedürfnis gibt es schon. Wir sind aber der Meinung, daß es jetzt schon genügend Möglichkeiten gibt, abends einzukaufen, zum Beispiel bei Spätverkaufsstellen, an Bahnhöfen und Flughäfen.
Im Spätkauf sind die Preise aber auch wesentlich höher als im Supermarkt.
Das ist richtig. Aber längere Ladenöffnungszeiten würden auch preissteigernd wirken. Selbst die Arbeitgeber sprechen von neun Prozent Preissteigerung durch längere Öffnungszeiten. Das ist ein Aspekt, der dem Verbraucher viel zu wenig bewußt ist.
In südeuropäischen Ländern ist es ganz normal, daß Läden später öffnen oder mittags zumachen und dafür abends länger geöffnet sind. Das ist doch ein sehr attraktives Modell.
Die Mittagspause ist in Südeuropa zum einen klimatisch bedingt. Außerdem handelt es sich um Touristenländer, so daß diese Regelungen auf Deutschland nicht übertragbar sind. Zudem wird uns von südeuropäischen Gewerkschaften immer gesagt, sie wären froh, wenn sie ein Ladenschlußgesetz wie das unsrige hätten.
Wie lösen Sie persönlich das Dilemma zwischen Arbeits- und Ladenschlußzeiten?
Ich habe durch meine Arbeitszeitgestaltung die Möglichkeit, zwischendurch einkaufen zu gehen. Das können andere Arbeitnehmer natürlich nicht.
Was würden Sie dem normalen Arbeitnehmer raten?
Es ist ja niemand 24 Stunden am Arbeitsplatz. Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, morgens früher aufzustehen und einzukaufen. Ich akzeptiere, daß das unbequem ist. Aber hier stellen wir uns die Frage, ob man wegen einiger persönlicher Annehmlichkeiten der Berufsgruppe der VerkäuferInnen noch mehr Nachteile aufbürden soll. Interview:Gesa Schulz
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