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Das Paradies ist blank

Dem italienischen Frauenvolleyball geht aufgrund unseriösen Geschäftsgebarens rapide das Geld aus  ■ Von Jörg Winterfeldt

Bei den Spielen des USC Münster pflegt der Unternehmer Reinhard Horstmann (51) zumeist bescheiden irgendwo im Hintergrund das Treiben der derzeitigen Tabellenführerin der Volleyball-Bundesliga zu verfolgen. Der Mann, den sie in Münster alle nur respektvoll den „Chef“ nennen, muß dann als Vereinspräsident ohne Eingriffsmöglichkeit bangend verfolgen, was nach seinen minutiösen Vorbereitungen einziger Unsicherheitsfaktor der Erfolgshatz bleibt: das Spiel selbst.

Seit Horstmann vor sechs Jahren in die Klubführung einstieg, sind die damaligen Schulden von 150.000 Mark längst wegsaniert und ist der USC mit seinem Liga- Etat von 750.000 Mark, selbst wenn der „Chef“ das nicht gern hört, als Liga-Primus etabliert. Auch im Europapokal hat die Vereinsführung nun die Voraussetzungen für sportliche Erfolge geschaffen, mittels zusätzlicher 150.000 Mark sowie 30.000 Schweizer Franken, die der europäische Verband dafür verlangte, daß die Westfälinnen am diesem Wochenende die Endrunde des Europapokals der Pokalsieger austragen dürfen. Dies ist nun aber die allerletzte Hilfestellung, die Reinhard Horstmann seinem Team gewähren kann, bevor es heute gegen Panathinaikos Athen (Jahresetat etwa 200.000 Mark) geht und morgen das Endspiel gegen den Sieger des Halbfinales zwischen Ancona und Modena folgen soll.

Gerade vor letzteren hegt man hohe Achtung, weil in Italien, wie es immer heißt, das Volleyballspiel professionell betrieben wird. Doch während selbst Susanne Lahme (26), Kapitänin der deutschen Auswahl und südlich der Alpen bei Sumirago beschäftigt, noch vom „Volleyball-Paradies Italien“ schwärmt, kränkelt dort speziell das Frauenpritschen, da das öffentliche Interesse eher bescheiden bleibt.

Um zu gewährleisten, daß daheim auswärtiges Treiben medialen Niederschlag findet, pflegen die Vereine den Journalisten generös die Ausflüge zu ihren Fernauftritten zu bezahlen. Am Wochenende etwa kommt Modena mit eigenem Berichterstatter-Troß. Solche Einladungen sind mittlerweile so selbstverständlich, daß ein Ausbleiben Unheil verheißt: Weil der Lahme-Klub Sumirago zur CEV- Europapokal-Endrunde in Paris keine Journalisten einlud, vermuten die Medienleute sofort eklatante Finanzengpässe.

Das monetäre Gebaren, so zeigt die Italo-Volley-Vergangenheit, verlangt argwöhnische Beäugung, denn „fast alle Vereine“, ist Valentina de Salvo vom Fachmagazin Supervolley überzeugt, „geben mehr Geld aus, als sie haben“. Hinzu kommt, daß die Leistungen der italienischen Spitzenspielerinnen, anders als die ihrer Landsmänner, weit vom Niveau der Weltelite entfernt sind, ihre Klubs für die ganz große Klasse daher teures auswärtiges Personal akquirieren müssen. „Die Gehaltsdifferenz zu den einheimischen Spielerinnen“, sagt Susanne Lahme, die es wissen muß, „ist riesig.“

Einzig Matera, derzeit Dritter in der Liga, wird als seriöses Unternehmen klassifiziert, seit sich vor zwei Jahren der Milchproduktehersteller Parmalat nach einem Probejahr als Sponsor den kompletten Verein kaufte. In Modena hingegen wirtschaftet der Klub verschwenderisch mit fast 1,2 Millionen Mark in dieser Saison; allein die Holländerin Weersing soll 175.000 Mark jährlich für ihre wuchtigen Außenangriffe bekommen, Perez del Solar, Mittelblockerin aus Peru, immerhin noch 160.000 Mark. Bei Heimspielen des Tabellenführers wissen allerdings nur etwa 1.000 Zuschauer die investitionen zu schätzen; fast die Hälfte jedoch, heißt es aus dem Umfeld, erhält freien Eintritt. Auch deswegen wird die Solidität der Finanzen angezweifelt. Zudem zahlt der Hauptsponsor Anthesis, ein Dessoushersteller, gerade einmal ein Viertel des Gesamtetats. Die Herkunft der restlichen Gelder ist nicht dokumentiert. Überhaupt legen in Italien nur die beiden Klubs Matera (Etat etwa 1,5 Millionen Mark) und Ravenna (etwa 800.000 Mark) ihre Finanzen offen, und das auch nur, weil das Gesetz sie als „S.R.L.“, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, dazu verpflichtet.

Supervolley-Redakteurin de Salvo ortet das Hauptübel der Misere im „Mangel an qualifizierten Managern“. Immer häufiger bleiben bei den Profis, die ihre Arbeitskraft bis zu 25 Trainingsstunden pro Woche zur Verfügung stellen, die Gehaltsschecks aus. Besonders hart traf es den einstigen Vorzeigeklub aus Ravenna. Seit 1991 dort der ortsansässige Großkonzern Ferruzzi die Sponsorschaft übernahm, torkelt der Klub ständig auf einem schmalen Grat zwischen Liquidität und Liquidierung. Als der damalige Ferruzzi- Konzernchef Gardini das Familienunternehmen in eine Verschuldung von über 34 Milliarden Mark getrieben hatte, jagte der Rest der Sippe ihn Anfang der neunziger Jahre fort.

Sein Nachfolger als Chefmanager, Carlo Sama, verlor angesichts des drohenden Konkurses baldigst die Kontrolle an fünf Staatsbanken. Inzwischen, zusätzlich noch mitten in den großen Korruptionsskandal geraten, hat Gardini Selbstmord begangen und Sama Knasterfahrungen gesammelt. Die Volleyballfrauen jedenfalls überlebten mühevoll eine Saison ohne Zuwendungen und ließen sich im letzten Sommer von der taiwanesischen Computerfirma O.T.C. retten, die die Hälfte des Etats spendierte. Weil nach vier Monaten auch deren Marketingchef Sergio Montanari, gleich als Vize-Präsident in den Klub eingestiegen, wegen steuerlicher Unkorrektheiten der Gefängnispflichtigkeit überführt wurde, muß sich der mittellose Klub heute wieder sponsorlos Teodora nennen und mit werbefreien Trikots antreten.

Auch in Ancona, wo der kinderbekleidende Sponsor fast verniedlichend ein „Brummel“ zum Vereinsnamen beisteuert, versichert die „Tedesca“ Lahme, habe man „nicht die finanziellen Mittel, um große Sprünge zu machen“. Weil sich der 440.000-Mark-Etat in maßvollen Personalinvestitionen manifestiert, droht dem Titelverteidiger des Wochenend-Wettbewerbs in Münster bereits in seiner Halbfinalbegegnung gegen den Ligakonkurrenten aus Modena das Aus. Daheim dümpelt das Team irgendwo im Mittelfeld. Motoko Obayashi, als japanische Auswahlkapitänin neuer Star Anconas, ist nur tragbar, weil ein Sponsor aus Japan weiterhin den größten Teil ihres Gehalts überweist.

Im westfälischen Münster, inmitten klerikaler und regierungspräsidialer Mächtiger, hat sich der gastgebende USC indes daran gewöhnt, dem illustren italienischen Finanzgebaren zwar solide, doch gelegentlich hilflos gegenüberzustehen. Als der Verein vor der Saison für seine spektakuläre US-Außenangreiferin Williams Ersatz suchte, zog die umworbene eingedeutschte Belgierin Nancy Celis Materas Lira Münsters moderater Mark vor.

Das USC-Team, „Volleyball- Botschafter in Deutschland“ (Horstmann), muß seitdem in Abwesenheit einer Ausnahmespielerin zuvorderst mit Homogenität reüssieren, statt sich auf das Spektakel einer einzelnen verlassen zu können. Das ist nicht unproblematisch und kann auch zu internem Ungemach führen.

Die Gleichordnung aller geht derzeit nämlich so weit, daß selbst die Italien-erfahrene Adriane Radfan (29), bis zur vorletzten Saison drei Jahre beim Wochenendgast Modena beschäftigt, sich ihr unterzuordnen hat. Trotz Genesung von einer Achillessehnenoperation bleibt Radfans Beitrag bislang auf moralische Unterstützung von draußen beschränkt. Auf der Reservebank aber findet der Einigkeitsgedanke im Ensemble sein jähes Ende, denn sie habe bestimmt keine Lust, verkündet Radfan, „ständig nur motivierend auf die anderen zu wirken und selbst nicht zu spielen“.

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