: „Wir wollen unsere Zeit zurück“
■ Internationaler Frauentag 1995: Diesmal ohne Streik, aber mit Aktionen - von frauengerechter Stadtplanung bis Kabarett
Einen bundesweiten Frauen-Streik-Tag wie im vergangenen Jahr wird es zwar nicht geben, doch völlig unbemerkt soll der 8. März auch in diesem Jahr nicht vorübergehen: Das „Hamburger Frauen-Komitee 8. März“ – ein Zusammenschluß von Gewerkschafterinnen aus ÖTV, GEW, HBV, IG Medien, Hausfrauengewerkschaft und Mitarbeiterinnen der Nordelbischen Kirche – hat zum internationalen Frauentag eine Reihe von Aktionen vorbereitet. Daneben wird auch der DGB im Besenbin–derhof den Frauentag mit Veranstaltungen begleiten.
Frauen sind nicht alle gleich, und deshalb wird es auch kein einheitliches Motto für alle Aktivitäten am 8. März geben. Drei Themen-Komplexe haben inzwischen Gestalt angenommen: Unter dem Titel „Frauen gestalten ihren Stadtteil um“ zeigen am Nachmittag rund um den Bahnhof Altona (Ottenser Hauptstraße und Neue Große Bergstraße) verschiedene Gruppen, wie Frauen in der Stadt gerne leben, wohnen und arbeiten würden. Die Deutsche Hausfrauengewerkschaft wird an ihrem Stand in der Neuen Großen Bergstraße Fotos von den ödesten Plätzen in Hamburg mit Hilfe von farbigen Folien in städtische Idyllen verwandeln. Außerdem wollen die heimlichen Managerinnen im Foyer des Diakonischen Werks (Königstraße 54) unbezahlte Frauenarbeit mit einer Fotoausstellung ins Blickfeld rücken. Ebenfalls in der Neuen Großen Bergstraße sammelt die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen auf einer Bodenzeitung Anregungen von Anwohnerinnen und Passantinnen, wie diese Fußgängerzone ansehnlicher werden könnte. Die Ergebnissesollen dem Bezirksamt zur geflissentlichen Umsetzung vorgelegt werden.
Viele Frauen hetzen in ihrem Alltag von Termin zu Termin. So kann es nicht weitergehen, hat sich das Komitee gedacht und fordert deshalb ab 19 Uhr in den Räumen des Diakonischen Werks: „Wir wollen unsere Zeit zurück - Frauen erheben Anklage“. Damit das Ganze keine langweilige Podiumsdiskussion wird, wechseln sich Zeuginnen und Expertinnen ab. Eine Putzfrau erzählt davon, wie es ist, immer dann zu arbeiten, wenn die Büroleute schon Feierabend haben, eine andere Frau schildert ihre Zeit-Erfahrung als Aushilfe auf Abruf bei der Post. Die Expertinnen – Beraterinnen genannt – begleiten diese Berichte mit Hintergrund-Infos, Analysen und Vorschlägen für Alternativen.
Die DGB-Frauen fordern von den Männern: „Teilen, Jungs“. Wie frau die Kerle dazu bewegen kann, darüber können die Gewerkschafterinnen nachmittags im Besenbinderhof beratschlagen. Abends gibt's dann im Gewerkschaftshaus bei der Büchergilde einen Empfang mit Programm. Die Kabarettistin Sybille Schrödter wird in ihrer Elly-Pölser-Show vor allem Männer in Jogging-Hosen durch den Kakao ziehen.
Iris Schneider
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen