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„Wahnsinnig viel live!“

■ Ach wie gut, wenn niemand weiß, daß die neue Jugendradiowelle „Eins live“ doch vom WDR kommt

„Das ist die Reform, weshalb ich Hörfunkdirektor geworden bin“, erklärte eben jener Fritz Pleitgen, auf den seit Freitag nun als designierter WDR-Intendant noch ganz andere, viel größere Aufgaben warten. Unter dem Motto „Eins Live macht hörig“ will der WDR ab April mit seinem jugendlich umgestrickten ersten Hörfunkprogramm die 14- bis 29jährigen abhängig machen. Und als sei die Pressekonferenz der Probelauf zu seinem Bewerbungsgespräch meinte Pleitgen am 1. März, „Eins Live“ sei „ein Unternehmen von strategischer Bedeutung für den WDR“.

Nun will also auch die größte ARD-Anstalt seine jungen Hörer wieder von den Lokalradios abwerben – ein Trend, den bereits der NDR mit „N-Joy-Radio“ und der SFB mit „Fritz“ vorgezeichnet haben. Zur Präsentation lud der WDR dann auch nicht in sein Stammhaus, sondern präsentierte seine berufsjugendlichen Radiostars in einer neongestylten Bar. Dort tönte die 24jährige Wortredakteurin Alexandra Wostrak: „Hier soll wahnsinnig viel live gemacht werden.“

Dynamisch klingen auch die Programmtitel: Von „Frühreif“ über „Schall und Rauch“ bis zur Erotiksendung „Nur für Erwachsene“ bemüht sich der WDR, die Kids locker anzusprechen. Bei den donnerstäglichen Krimihörspielen will man härter, blutiger und gnadenloser sein als bisher gewohnt. An den Interessen der Werbewirtschaft will man sich mit der Reform aber nicht orientieren, beteuert Wellenchef Gerald Baars. Gleichwohl ist WDR 1 eine der drei Werbeträger des Hörfunks.

Das Schema, nach dem die ARD-Sender nun versuchen, jugendliche Hörer zu binden, ist überall dasselbe. Man stylt eine Welle völlig um, gibt ihr einen fetzigen Anstrich, kauft ein paar jugendlich wirkende ModeratorInnen ein und gibt dem ganzen einen neuen Namen. Dabei wird versucht, jeden erkennbaren Zusammenhang zum öffentlich-rechtlichen Stammhaus zu vermeiden. So sucht man folgerichtig auf dem Werbematerial vergeblich das WDR-Logo – dabei hatte der Sender doch erst im letzten Juni für rund vier Millionen Mark sein Design ändern lassen. Auf die Frage, ob der WDR Angst vor einem schlechten Image bei den Jugendlichen habe, erklärte Pleitgen ausweichend, das Programm trage doch immerhin offiziell noch den Namen WDR 1. Philippe Ressing

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