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Erdgas raus – Treibhausgas rein

Eine Studie schlägt Energieversorgern vor, Kohlendioxid unterirdisch zu lagern  ■ Von Marion Wigand

Eine Utopie wird Wirklichkeit: Im kommenden Jahr will Norwegen klimaschädliches Kohlendioxid unterirdisch lagern. In einer Tiefe von tausend Metern unter dem Meeresboden der Nordsee sollen jährlich eine Million Kubikmeter CO2-Emissionen in den Hohlräumen porösen Sandgesteins verschwinden. Entsprechende Pläne gab kürzlich die staatliche Erdölfirma Statoil bekannt.

Das Pilotprojekt basiert auf Ergebnissen eines Anfang des Jahres beendeten Forschungsvorhabens. Darin gibt ein multinationales Team von Geologen der „unterirdischen Entsorgung von CO2“ grünes Licht. Dem noch unveröffentlichten Bericht zufolge sei es Energieversorgern technisch möglich, den CO2-Abfall aus Kraftwerken aufzufangen und ähnlich wie Atommüll endzulagern.

In Norwegen hat die CO2-Bunkermentalität bereits um sich gegriffen. Muß jetzt auch Deutschland treibhausgasbeladene Endlager fürchten? „Im Moment gibt es keine absehbaren Standorte“, resümiert Thomas Schwarzkopf vom Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk AG (RWE) in Essen. Fast klingt es erleichtert. Der Energiekonzern, der öffentlich bereits als Klimakiller gebrandmarkt ist, weiß anscheinend, daß er sich mit einem solchen Entsorgungsprojekt nicht überall Freunde macht. Umweltschützer wie Reinhard Loske vom Institut für Klima und Energie in Wuppertal halten dann auch gar nichts von der Idee. „Barer Unsinn“, lautet in wenigen Worten seine Kritik. „Ein neues Ausfalltor, um so weitermachen zu können wie bisher.“

Keineswegs als Fall-, vielmehr als Hintertür sei die neue Entsorgungsoption gedacht, kontert RWE-Mitarbeiter Schwarzkopf. Sein Unternehmen verstehe die unterirdische Lagerung als letzten Ausweg aus einer drohenden Klimakatastrophe – sollte Energiesparen allein nichts nützen.

Daß in der Heimat Lagerstätten fehlen, daran solle eine Endlagerung nicht scheitern. Nach dem Motto „Emissionen aller Länder, vereinigt euch!“ gingen die Wissenschaftler bei ihren zweijährigen Untersuchungen auch der Frage nach, ob die EU-Länder nicht gemeinsam ihr Treibhausgas entsorgen könnten. Als Standort dafür eigne sich hervorragend die Nordsee. In einer Tiefe von 1.000 bis 4.000 Metern unter dem Meeresboden fanden die Geologen die größten potentiellen CO2-Speicher: leere Erdgas- und Erdölfelder. Wo heute noch Öl sprudelt, könnte morgen schon Kohlendioxid lagern. Ein Stopfen aus Beton würde ein Austreten aus dem Bohrloch verhindern.

Das Treibhausgas säße fest verschlossen wie der böse Geist in der Flasche. Und das über Jahrtausende – ein nicht unwichtiger Vorteil gegenüber anderen Entsorgungsvorschlägen. Denn derart läßt sich weder in der Tiefe der Ozeane noch in eigens aufgeforsteten Wäldern Kohlendioxid langfristig binden.

Die unterirdische Endlagerung scheint das Beste zu sein, was Ingenieure in Zeiten schmelzender Gletscher und steigender Meeresspiegel zu bieten haben . Die pazifischen Inselstaaten müßten nicht mehr ihren Untergang befürchten, das Wetter bliebe so, wie es ist.

Ein folgenreiches Zukunftsprojekt also, das keinesfalls an mangelndem Speicherraum für das Treibhausgas scheitern könnte. Zumindest in Norwegen und Großbritannien gäbe es Platz genug, meinen die Experten. Ausreichend, um die gesamten CO2- Emissionen aller europäischen Kraftwerke bis etwa zum Jahre 2300 verschwinden zu lassen. Erst dann wären die Speicher voll.

Einer Endlagerung von CO2 steht auch keinesfalls die fehlende Technik im Weg. „Sie ist erprobt“, betont Schwarzkopf. Der Umgang mit Kohlendioxid ist Ingenieuren bereits vertraut. Tatsächlich genießt CO2 unter Technikern als Wertstoff einen ausgezeichneten Ruf. Davon will auch die norwegische Statoil in ihrem Pilotprojekt profitieren. Das Unternehmen will CO2 nämlich nicht end- sondern zwischenlagern, um es später im eigenen Betrieb zu recyceln. Wiederverwenden läßt sich Kohlendioxid hervorragend auf den zahlreichen Erdgas- und Erdölfeldern, mit denen Norwegen reich beschenkt ist. Wird es als Treibgas in den Untergrund gepreßt, erhöht sich die Öl- und Gasausbeute. Die dabei eingesetzten Kohlendioxid-Emissionen stammen übrigens nicht aus einem Verbrennungsprozeß, sondern einem Verfahren, bei dem Erdgas von einem Teil seines unerwünschten CO2- Gehalts gereinigt wird. Üblich ist es bisher jedoch, Kohlendioxid aus natürlichen Vorkommen einzusetzen: aus CO2-Blasen, die weltweit verstreut liegen. Dabei sei es teilweise notwendig, Kohlendioxid über Hunderte von Kilometern durch Pipelines zum Bohrloch zu transportieren, erläutert RWE- Sprecher Schwarzkopf. Somit stehe auch einem Transport von CO2-Emissionen nichts im Wege.

Technisch möglich, wenn auch aufwendig, sei es, das Treibhausgas aus den Abgasen der Kraftwerke zu filtern. Eine chemische Wäsche sei erforderlich, die allerdings den Neubau von Kraftwerken voraussetze. Allerdings fresse die klimafreundlichere Ausgabe eines Kraftwerks bis zu einem Drittel mehr Energie.

Hier beißt sich die unterirdische Entsorgung von CO2 also selbst in den Schwanz. Nach wie vor ungeklärt sind auch die Sicherheitsrisiken: Weniger als ein plötzlicher Ausbruch, ein sogenannter Blow- out, sei nach Meinung der Wissenschaftler zu befürchten, daß sich die Erdoberfläche hebt oder senkt, wie dies aus der Erdölförderung bereits bekannt sei.

Doch selbst wenn es dafür technische Lösungen gäbe: Finanziell sei die Endlagerung von CO2 derzeit unwirtschaftlich. Das kann sich allerdings ändern, wenn die Europäische Union eine Steuer auf Kohlendioxid einführt, wie sie Norwegen bereits hat. Der CO2- Speicher wird Statoil jährlich an die 80 Millionen Mark Steuern ersparen. Eine Summe, die anscheinend attraktiv genug ist, um das Treibhausgas sobald wie möglich einzulagern.

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