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Mit dem Fallschirm in die Gleichberechtigung Von Klaudia Brunst

Mein schwuler Freund hat einen neuen Freund. Dieter sei Erdkundelehrer und ein bißchen anstrengend, warnte er uns – aber für einen eingetragenen SVD-Schwulen „erstaunlich kreativ im Bett“.

„Und? Habt ihr schon das Aufgebot bestellt?“ witzelte meine Freundin, woraufhin mein schwuler Freund erst einen entsetzten Colliergriff machte und uns dann das dringende Versprechen abnahm, in Dieters Gegenwart jedes homopolitische Gespräch tunlichst zu vermeiden. Um des lieben Friedens willen. Und weil Dieter doch so gut im Bett sei.

Letzten Sonntag machte Dieter also bei uns seinen Antrittsbesuch. Wie es sich gehört, hatte er einen kleinen Strauß rosa Nelken mitgebracht und erlaubte uns sogar das Rauchen bei Tisch, „obwohl ich als Nichtraucher jetzt natürlich quasi ungefragt mitrauchen muß“. Selbstverständlich räumten wir daraufhin sofort alle Aschenbecher vom Tisch. Um des lieben Friedens willen. Und weil Dieter doch so gut im Bett sein soll.

Das Tischgespräch so ganz ohne Tabakwaren war allerdings etwas zäh. Bis meine Nachbarin in unsere Wohnung stürmte, weil sie soeben im Briefkasten eine Broschüre des diesjährigen Gay-and-Lesbian- Run gefunden hatte, versehen mit einem Geleitwort der Präsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses, Hanna-Renate Laurin. „Das müßt ihr euch angucken“, kiekste sie und zündete sich aufgeregt eine Fluppe an, „Hanna Granate von der Berliner CDU wünscht uns viel Erfolg beim Joggen. Einfach unglaublich!“

Gerade als sie nachfragen wollte, ob mein schwuler Freund, der im Hintergrund ständig mit den Armen herumfuchtelte, neuerdings etwas gegen das Rauchen habe, da schaltete sich Dieter auch schon in die Debatte ein: „Ja“, schwärmte er, solche Aktionsbündnisse seien tatsächlich wunderbar. „Geradezu Meilensteine auf dem Weg zur gesellschaftlichen Anerkennung“ und also durchaus ein Grund zur Hoffnung.

Obwohl wir ihn angesichts dieses Mißverständnisses anstarrten als sei er gerade gen Himmel gefahren, kam Dieter gar nicht mehr aus dem Schwärmen heraus: Immer mehr Politiker würden sich endlich auf die Seite der Homosexuellen stellen, erklärte er uns pathetisch. Erst neulich habe sich Heiner Geißler dahingehend geäußert, daß sich die CDU als Anwalt von Minderheiten stärker dem Anliegen homosexueller Menschen öffnen müsse. Mit einer theatralischen Geste erhob sich Dieter aus dem Sessel und zog aus seiner Hosentasche eine sorgsam in Klarsichtfolie eingeschweißte Meldung aus der Süddeutschen. Dann setzte er sich wieder und reichte den Artikel in die Runde. „Geißler, der Fallschirmspringer?“ fragte unsere Nachbarin nach. „Der Paragleiter“, korrigierte Dieter. „Paragleiter und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU- Bundestagsfraktion“.

„Tja, erst das schwarz-grüne Bündnis und jetzt die homosexuelle Zwangsehe“, meinte meine Freundin sarkastisch, „tiefer kann man wirklich kaum noch paragleiten“. „Doch, kann man!“ triumphierte meine Nachbarin und drückte ihre Kippe in unserer Birkenfeige aus. „Immerhin hat Alice Schwarzer in diesem Jahr beim Kölner Karneval mitgemacht!“ „Wie?“ meinte mein schwuler Freund entsetzt, „ist die jetzt etwa auch in der CDU?“

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