: Außer Konkurrenz
■ Heute wählt der WDR-Rundfunkrat einen neuen Intendanten. Einziger Kandidat: Fritz Pleitgen
„Pleitgen neuer WDR-Intendant“, titelte der Kölner Express schon am Freitag, obwohl der Nowottny-Nachfolger erst heute offiziell gewählt wird. Nachdem mit ARD-Programmdirektor Günter Struve der letzte Gegenkandidat abgewunken hatte, wird der WDR-Rundfunkrat Fritz Pleitgen wohl einstimmig zu „Deutschlands mächtigstem Fernsehmann“ (Express) küren. Das 41köpfige Gremium kommt dieser Aufgabe, die im WDR-Gesetz von 1985 festgeschrieben wurde, nun erstmals nach. Zuvor waren die Intendanten im kleinen Kreis des Verwaltungsrates ausgehandelt worden.
Seit Friedrich Nowottny Anfang Januar seinen vorzeitigen Rücktritt zur Jahresmitte bekanntgab, lief eigentlich alles auf Pleitgen zu. Der Schritt des ARD-Altmeisters wurde allenthalben als Tritt gegen das Schienbein des Rundfunkratsvorsitzenden Reinhold Grätz interpretiert, dem heftige Ambitionen in Richtung Intendanz nachgesagt wurden. Die hätte der SPD-Medienpolitiker indes nicht vor der NRW-Landtagswahl am 14. Mai realisieren können. Statt mittelfristig im Intendantensessel fand sich Grätz kurzfristig in einer Wahlvorbereitungskommission wieder, die im Auftrag des Rundfunkrates Vorschläge sichten und Bewerbergespräche führen sollte. Um ein möglichst offenes Verfahren zu gewährleisten, wurde die Intendantenstelle sogar in der Zeit ausgeschrieben. Wie im Rundfunkrat erzählt wird, soll sich auch Harald Schmidt beworben haben – bis er von Sat.1 weggekauft wurde.
Alle anderen, die – neben Pleitgen – ernsthaft im Gespräch waren und schließlich auch nach Köln geladen wurden, sagten nach und nach ab: So erklärte ORB-Intendant Hansjürgen Rosenbauer, er wolle den Eindruck vermeiden, nicht voll hinter seinem Job in Potsdam zu stehen – wo er sich nun auf den anstehenden Vereinigungsprozeß von ORB und SFB konzentrieren kann. Jürgen Kellermann, TV-Programmdirektor des NDR, ahnte schon in seiner schriftlichen Absage, „daß der Rundfunkrat des WDR zunächst festzustellen sucht, ob er sich für den WDR-internen Kandidaten entscheidet“. Vor Struve gab schließlich auch der sowieso chancenlose WDR-Verwaltungsdirektor Norbert Seidel auf.
Ein Kandidat nach Hausmacherart
Im WDR-Rundfunkrat wird man sich nun auf die Schultern klopfen: Pleitgen als einziger Kandidat steht für Hoffnungen aller Art. Als Nowottnys Wunschkandidat symbolisiert er Kontinuität nach „Hausmacherart“ – 32 Jahre beim Sender sind kein Pappenstiel. Zugleich demonstriert der 56jährige Journalist nach 18 Jahren im Auslandseinsatz auch Weltläufigkeit – und Abstand zur in NRW übermächtigen SPD. SPD-Mitglied Pleitgen sieht den WDR „nicht als Verrechnungseinheit der SPD“. Pleitgens Wahl könnte auch als Niederlage der SPD-Medienpolitik interpretiert werden, die gemeinhin in der SPD-Fraktion des Hauptausschusses des Landtags ausgemacht wird. Dessen Vorsitz hat wiederum Grätz inne.
Die Kölner Anstalt wird keine Schwierigkeiten haben, Pleitgens Wahl als vollen Erfolg zu verkaufen. Schon vor dem heutigen Akt wurde – vom Kölner Stadtanzeiger bis zur Zeit – das Hohelied auf den großen Journalisten gesungen, der in den Sechzigern aus Moskaus Kälte, in den Siebzigern aus Ost- Berlins Tauwetter und schließlich aus den – dank Reagan – überhitzten USA der Achtziger berichtete. 1988 kehrte Pleitgen dann heim nach Köln und wurde Chefredakteur des WDR-Fernsehens. Wir alle kennen ihn ja, wie er mal maliziös lächelnd, mal mit Leichenbittermiene „Brennpunkt“ und „Presseclub“ moderierte.
Hinter dem Schirm gilt Pleitgen allerdings nicht gerade als entscheidungsfreudig. Nachdem er 1994, von Nowottny gedrängt, Hörfunkdirektor wurde, setzte er eine Hörfunk-Strukturreform in Gang, die noch nicht abgeschlossen ist. Nicht nur im Hörfunkbereich des WDR wartet man nun gespannt, ob Pleitgen tatsächlich die notwendigen Reformschritte geht und die bisherigen WDR-Hierarchien beschneidet. Im Radiobereich würde das bedeuten, daß jede der fünf WDR-Wellen ein eigenes verantwortliches Management bekommt. Als Intendant der größten und finanzstärksten Anstalt der ARD und als ihr potentieller Vorsitzender wird sich Fritz Pleitgen mehr Biß zulegen müssen. Peter Hanemann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen