: Kontaktsperre für Dunkelhäutige
Zahlreiche Beispiele für sexuelle Belästigung und Rassismus in der Deutschen Zentrale für Tourismus in New York / Die Betroffenen setzen sich jetzt mit Klagen zur Wehr ■ Von Andreas Zumach
„Brauchen Sie in Ihrem Büro einen Luftbefeuchter, oder werden sie von allein naß?“ Mit solchen und ähnlichen Sprüchen wurden Reisekauffrau Monique Schlein und ihre weiblichen Kolleginnen in der New Yorker Filiale der Deutschen Zentrale für Tourismus e. V. (DZT) in den vier Jahren bis zum Herbst 1994 regelmäßig belästigt, in denen Herbert Schreiber (52) ihr Chef war. Frau Schlein könne ja als Domina gekleidet und mit der Peitsche in der Hand auf dem Bahnsteig und in den Abteilen patroullieren, schlug Schreiber vor, als bei einer Besprechung zur Präsentation des ICE-Zuges in St. Louis Sicherheitsprobleme diskutiert wurden. Anwesend waren bei der Besprechung am 16. September 93 in den Räumen der DZT-Filiale in New Yorks 42. Straße neben Schlein und Schreiber auch dessen Stellvertreter Fred Gross sowie der Vizepräsident der Firma Siemens Transportation Helmut Weinman. Als die Frage aufkam, wo Weinman in St. Louis übernachten solle, schlug Schreiber das Hotelzimmer von Schlein vor. Gross und Weinmann haben die Äußerungen Schreibers schriftlich bezeugt. Auch für zahlreiche weitere sexistische Äußerungen Schreibers gibt es Zeugen.
Hervor tat sich der Leiter der größten Auslandsfiliale der für positive Imagewerbung für Deutschland zuständigen DZT auch durch rassistische Sprüche und Handlungen. „Die Schwarzen kriechen überall raus wie Kakerlaken“ – solche und ähnliche Bemerkungen Schreibers seien an der Tagesordnung gewesen, klagt Schleins Kollegin Christa Willibald. Schreiber habe sie beschimpft, weil sie mit einem Afroamerikaner verheiratet ist, beschwerte sich Willibald vor der New Yorker Menschenrechtskommission. Dunkelhäutigen MitarbeiterInnen der New Yorker DZT-Filiale habe Schreiber den Kontakt mit dem Publikum verboten. Über all diese Vorgänge wurde der DZT-Vorstand in der Frankfurter Filiale frühzeitig informiert. Erste schriftliche Beschwerden gegen Schreibers Führungsstil stammen bereits aus dem Oktober 1992. Doch der Vorstand unternahm nichts und deckte Schreiber. Statt dessen wurde Schleins direkter Vorgesetzter Gross, der die Beschwerde seiner Mitarbeiterin über den Vorfall vom 16. September 93 ordnungsgemäß an die Frankfurter Zentrale weitergeleitet hatte, abgemahnt und inzwischen von seinem Posten als stellvertretender Leiter der New Yorker Filiale degradiert. Im Juli 94 verklagte Schlein den Frankfurter DZT-Vorstand vor dem höchsten Gericht des Staates New York auf 2,5 Millionen Mark Schadensersatz. Wegen der rassistischen Äußerungen und Handlungen Schreibers reichte Willibald Klage vor dem zuständigen Bundesgericht ein. Und Gross klagt in Frankfurt auf Rücknahme der Abmahnung und Wiedereinsetzung in seine frühere Position.
Nach Eingang der Klage Schleins entschied der DZT-Vorstand im Sommer 1994 zunächst, Schreiber zum Leiter der Brüsseler Filiale zu machen. Nach Erscheinen eines ersten Artikels über die Vorgänge in der New Yorker Zentrale Anfang Oktober 1994 wurde jedoch entschieden, Schreiber in die Frankfurter Zentrale zurückzurufen. Nach außen hin präsentierte der DZT-Vorstand Schreiber jedoch weiterhin als einen ihrer erfolgreichsten Repräsentanten und richtete im Spätherbst in New York für mehrere zehntausend Mark ein rauschendes Abschiedsfest für ihn aus – finanziert mit deutschen Steuergeldern.
Die von Schlein und Willibald angestrengten Verfahren vor den USA-Gerichten versuchten die DZT und ihre Anwälte zunächst mit der unhaltbaren Behauptung zu verhindern, ihre Filiale in New York genieße diplomatische Immunität. Im November 1994 übermittelte der DZT-Vorstand dem Anwalt Schleins dann plötzlich zwei Abmahnungsschreiben an Schreiber. Datiert sind diese Schreiben auf den 8. Dezember 1993. Merkwürdigerweise schickten die beiden DZT-Vorsitzenden Gunter Colonius und Eva Maria Sternagel jedoch erst am 17. Dezember 1993 – also neun Tage nach den angeblichen Abmahnungsbriefen an Schreiber – einen Brief an Schleins Anwalt. Darin erklären die beiden DZT- Vorsitzenden, sie könnten sich zu den Vorwürfen Schleins erst nach einer „intensiven Untersuchung“ äußern.
Mit seiner Entscheidung von letzter Woche, das Vermögen der New Yorker DZT-Zentrale vorläufig zu beschlagnahmen, hat der New Yorker Supreme Court inzwischen signalisiert, daß er die Klage Schleins, über die im Juni verhandelt wird, nicht für aussichtslos hält.
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