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Der alkoholorientierte Komet

Außerirdischer Terror: Ein „Meteoriteneinschlag“ erschütterte den bayerischen Freistaat und seine Polizeigewalt  ■ Aus dem Andechser Loch Thomas Pampuch

Bauer Albert Arndt, Vater von sechs Kindern, hatte recht: „Ich hab' glaubt, die sprengen da.“ Aber dem Landmann aus dem Widdersberger Holz und einzigen Augenzeugen des angeblichen „Meteoriteneinschlags“ – den eifrige Reporter am Sonntag schnell ausfindig gemacht hatten – wollte keiner glauben. Zu groß, zu bilderbuchartig war das Loch, das seit Samstag drei Kilometer entfernt vom oberbayrischen Bier-Kloster Andechs am Südrand des kleinen Eglsees plötzlich klaffte.

Entdeckt wurde der „unheimliche Krater“ am Sonntag, da hatte ihn ein Pilot des Polizeihubschraubers „Edelweiß 2“ aus der Luft entdeckt. Es dauerte nur wenige Stunden, da pilgerten die ersten Schaulustigen und Wissenschaftler mit Geigerzählern zu dem „Jahrhundertereignis“. Und natürlich lockte das Loch auch allerhand anderes Volk. So widmete die Bild-München dem „Andechs-Meteoriten“ am Montag gleich ihre Titelseite und zwei weitere Farbseiten, das Fernsehen brachte spannende Bilder, bei den einschlägigen Instituten in Bayern liefen die Telefone heiß.

Von „Fußballgröße bis Baseballgröße“ wurde der Andechs- Besucher aus dem All geschätzt, der sich da im trüben Wasser des schönen runden Loches befinden sollte. Der Durchmesser eben jenes Loches mißt zwanzig Meter, die Tiefe soll acht Meter betragen. Seit 1492 sei kein so großer Meteorit mehr auf Deutschland niedergegangen, hieß es. Noch gestern morgen bestätigte das geophysikalische Institut Fürstenfeldbruck, daß es für Samstagmittag, exakt um 12.49 Uhr, seismisch eine „Erschütterung des Bodens“ verzeichnet habe.

Vor Ort wateten da bereits viele Neugierige im Schlamm herum und knipsten was das Zeug hielt. Die Polizei hatte für einige Zeit sogar Absperrungen errichtet, doch auch das hielt die Sternschnuppensucher nicht ab. Gegen elf Uhr platzte dann jedoch die Bombe – und erschüttterte alle. Das Landeskriminalamt gab bekannt, daß es sich bei dem Loch um eine genehmigte Sprengung gehandelt habe. Ein Privatmann und Ökofreund wollte ein Feuchtbiotop neben dem See anlegen, ein autorisierter Sprengmeister hatte mit Hilfe von einhundert Kilogramm Sprengstoff das Loch sauber ausgehoben. Die Sprengung war offiziell beim Landratsamt Starnberg und beim Gewerbeamt angemeldet worden.

Die Polizeiinspektion wurde über Sprengvorhaben allerdings erst gestern informiert, als ganz Deutschland schon im Meteoriten- Taumel war. Zweck der Sprengung war nach Auskunft des Pressesprechers des Polizeipräsidiums Oberbayern, Hans Schuhler, eine Untergrunduntersuchung. Später wolle man dann das Biotop anlegen.

Mit der biotopisch-bombigen Erklärung wurden dann auch die Spekulationen aus Polizeikreisen hinfällig, daß es sich vielleicht um eine alte Fliegerbombe oder gar einen „Übungsanschlag von Terroristen“ gehandelt habe.

„Es is a bisserl unglücklich gelaufen“, meinte Schuhler darauf nur. „Wir konnten Montag früh noch nicht widerrufen, weil man ja erst mal alles in Erwägung ziehen muß und wir erst die Sprenggenehmigung in Händen haben mußten. Und außerdem ist ja ein so großes Sprengloch nicht üblich. Dann ist es halt groß aufgebauscht worden, weil es interessanter ist, wenn das Außerirdische mit im Spiel ist.“ Amüsiert zeigte sich Schuhler, daß „namhafte Geologen, Kosmologen da so schön herumgerätselt haben. Wenn mal die Fachleute beieinander sind, dann ist das in so einem Fall schon zum Schmunzeln.“

Das wunderschöne Kloster Andechs mit einem der größten Biergärten Bayerns und dem nachweislich besten Bier der Welt ist immerhin mal wieder in die Presse gekommen. Schön, daß es nicht von einem Meteoriten getroffen wurde, nicht so schön allerdings, daß das Loch nun doch kein echter Meteoritenkrater ist. Immerhin hätte das einen zugkräftigen Werbetrailer fürs Bier abgegeben, ganz zu schweigen von der Belebung der bayerischen Tourismusbranche.

In München hat man inzwischen bereits eine neue Theorie für das Andechser Loch: Es gilt als der erste Spatenstich für ein zu errichtendes geophysikalisches Institut zur Erforschung alkoholorientierter Meteoriten.

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