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Regierungsamtliche Familienentlastung

■ Regierungskoalition will ab 1996 Kindergeld durch Steuerfreibeträge ersetzen / Ärmere Familien sollen zum Ausgleich dennoch gesonderte Kinderleistungen erhalten / Sozialdemokraten protestieren

Berlin (taz/dpa) – Wer Kinder aufzieht, soll dafür nicht bestraft werden. In diesem Punkt sind sich alle Familienpolitiker einig. Die Frage ist nur, wie gestaltet man eine Kompensation für die finanzielle Mehrbelastung. Durch eine Erhöhung des Kindergeldes, wie es die Opposition fordert, oder durch eine Erhöhung der steuerlichen Kinderfreibeträge. Einen Tag vor der entscheidenden Sondersitzung der Regierungskoalition zu dieser Frage scheinen sich FDP und Union auf Grundlinien geeinigt zu haben. Demnach solle das duale System von Kindergeld und Kindergeldzuschlägen im Prinzip vorerst bleiben, aber in zwei Stufen, nämlich 1996 und 1998, modifiziert werden. Die wesentliche Neuerung: Die finanzielle Entlastung, böse gesagt die Entschädigung für Windeln und Flasche, soll für alle Mütter und Väter gleich sein, egal ob sie reich oder arm sind.

Dies soll funktionieren, wenn die steuerlichen Kinderfreibeträge generell angehoben werden. In der ersten Stufe sollen die jetzt geltenden 4.104 Mark pro Kind und Jahr auf 5.076 Mark angehoben werden, nach Meldung der Süddeutschen Zeitung sogar auf 6.288 Mark. Angeblich sollen bei diesem Rechenexempel alle für das erste Kind indirekt 200 Mark erhalten, statt wie bisher 70 Mark Kindergeld. Die Süddeutsche errechnet zudem, für das zweite Kind würden 220 Mark, für ein drittes gar 240 Mark herausspringen. Mütter und Väter, die keine oder zuwenig Steuern bezahlen, um von diesem System profitieren zu können, sollen wie bisher Kindergeld bekommen, nur eben mehr.

Unklar bleibt, ob dieses direkte Kindergeld für Arme vom Arbeitsamt kommen soll oder doch indirekt durch eine Verrechnung von Steuerschuld und Kindergeldanspruch durch das Finanzamt. Insgesamt soll diese Reform die öffentlichen Haushalte mit sechs Milliarden Mark belasten, 3,7 Milliarden durch die generelle Erhöhung der Kinderfreibeträge und 2,3 Milliarden durch Ausgleich für Schlechterverdienende. 1998 soll dann der Freibetrag weiter angehoben werden, laut dpa auf etwa 6.300 Mark und damit auf die von der Verfassung geforderte Steuerfreiheit für das Existenzminimum steigen.

Heftige Kritik an den Vorschlägen übte gestern erneut die SPD- Fraktion. Die geplante Aufstockung der Freibeträge würde den Familienlastenausgleich noch „ungerechter machen, als er bisher schon ist“, meinte deren finanzpolitischer Sprecher Joachim Poß. Spitzenverdiener würden dreimal so stark wie Geringverdiener entlastet werden. Die SPD hält deshalb an ihrem Modell fest. Sie will 250 Mark einheitliches Kindergeld pro Monat für alle Bambini. aku

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