■ Erhardts „Giftliste“: U-Bahn wird zur Uni
Eine Woche lang wehrte sich der Fachbereich Architektur an der Hochschule der Künste gegen Abwicklungspläne, die es offiziell nie gab. War also der ganze Protest nur eine Farce? Oder traf es jetzt andere Bereiche vor allem deshalb, weil sie auf Gerüchte nicht reagierten? Jedenfalls ist der Vorgang symptomatisch für die Hochschulpolitik. Statt eines Konzepts gibt es ständig neue Sparvorgaben, über die in Kungelrunden beratschlagt wird. Die nächste Etappe ist schon abzusehen: 1996 fehlen weitere 20 Millionen Mark, auf die Erhardt mit seiner „Giftliste“ in keiner Silbe eingeht.
Daß an der Humboldt-Uni mit den Naturwissenschaften just die Fachbereiche geschröpft werden, an denen es noch Wissenschaftler aus dem Osten gibt, liegt ganz auf der Linie der CDU-Wahlkampftaktik à la Landowsky. Und daß überhaupt in Wahlkampfzeiten an den Unis gespart wird, liegt daran, daß der Rotstift scheinbar die Mehrzahl der WählerInnen nicht direkt trifft. Studis arbeiten ja eh nix.
An der „Giftliste“ zeigt sich aber auch, wie absurd die Forderung nach einem „Abbau von Mehrfachangeboten“ ist: Damit bei den Ethnologen an der FU gespart werden kann, die sich mit Afrika und Asien beschäftigen, wird die „Europäische Ethnologie“ an der HU flugs zum Doppelangebot deklariert. „Abbau von Mehrfachangeboten“ heißt aber auch, daß immer weniger Fächerkombinationen an einer einzigen Hochschule studiert werden können. Die StudentInnen werden immer häufiger zwischen den einzelnen Standorten pendeln müssen. So wird die U-Bahn zur größten Berliner Uni – wie die Studienzeiten schrumpfen sollen, bleibt schleierhaft. Ralph Bollmann
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