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Fotokopierer lügen nicht

In „Looosers!“ von Christopher Roth wird das Rad täglich aufs neue erfunden  ■ Von Thomas Winkler

Endlich mal ein Film, der wirklich in den 90ern angekommen ist. Mit seinen Flokati-Teppichen, grellen Hemden, aufblasbaren Couches und quietschbunten Plastikbars ja eigentlich in den 70ern, aber das ist inzwischen nahezu dasselbe. Zwischentitel: „style is illusion“.

Moritz und Karl arbeiten in einer Werbeagentur, wo sie nur „Cindy und Bert“ genannt werden. Tatsächlich sind sie ausgesuchte Nieten, die den lieben langen Tag darüber reden, Dinge zu erfinden, die schon längst erfunden sind: „Wär' das nicht toll, so was zu haben mit vier Rädern unten dran, mit dem man überall hinkommt?“ Deshalb arbeiten sie an einer Kampagne für Pflaumenschnaps, während die Kollegen versuchen, den Werbe-Etat der Post zu kriegen. Die drei „O“ des Titels scheinen sehr angebracht. Das große Geld naht in Gestalt eines geheimnisvollen Amerikaners. 50.000 Mark sollen sie für Insider-Informationen über die Postkampagne bekommen, also erfinden sie einfach selbst eine. Zwischentitel: „Fotokopierer lügen nicht“. Karls moralische Bedenken zerstreut Moritz: „Wir können doch einen Tausender an Greenpeace schicken.“

Derweil verliebt sich Karl in eine Schwedin und träumt davon, händchenhaltend mit ihr bei „Ikea“ spazierenzugehen. Auf dem Weg zum großen Glück geht natürlich alles schief, weil „Looosers!“ eine Komödie ist, aber am Ende renkt sich natürlich auch alles wieder ein, eben weil „Looosers!“ eine Komödie ist. Und eine Komödie im besten Sinne des Wortes. Diese Welt ist der realen so ähnlich wie nur möglich und deshalb eine Welt aus abgestürzten Computern, Sixt-Mietwagen, Anrufbeantwortern, Grungebärtchen, Zitaten aus Werbespots, Techno-Musik, der Microsoft- Hotline, braunen Cordjacken, schnurlosen Telefonen, Parties, Laptops, Videospielen und sonstigen Sprachlosigkeiten: „Ich fand das echt gut.“ – „Ich fand das auch echt ziemlich gut.“ – „Echt super“. Hier läßt die Perspektivlosigkeit tatsächliche und ziemlich unheroische Zahnspuren in der Generation X zurück, nicht wie in „Reality Bites“, wo die übliche Hollywood- Mär aus Liebesleid und Selbstfindung ganz simpel in zerfetzte Jeans und viereckig behaarte Kinnladen gekleidet wurde.

So wie im echten Leben wird auch in „Looosers!“ mehr durch T- Shirts mitgeteilt als durch Sprechen. Tatsächlich verkompliziert es sogar die Liebe noch, weil die Protagonisten gelernt haben, über ihre Gefühle zu sprechen. Deswegen spricht Karl nicht mehr zum Schluß, als alles um ihn herum zusammenbricht, sondern trägt nur mehr eine Kappe mit der Aufschrift „The Future Is Stupid“. Daran knabbert Karl aber auch nicht allzu lange, weil ihm doch Ulrika passiert ist. Die phlegmatische Verzweiflung paßt perfekt in das Gesicht von Bernd Michael Lade, dem „Karniggels“-Mann von Detlef Buck, den man irgendwie knuddeln möchte.

Ähnlich wie Buck haben die beiden Autoren Christopher Roth und Martin Rauhaus einfach losgedreht und sich deshalb erst gar nicht um Förderung beworben.

Die Botschaft ist vor allem ihre Botschaft: Diese Generation ist kindisch, desillusioniert und noch dazu käuflich. Karl, Moritz, Ulrika und Rita sind einfach nette Menschen. Andreas Dorau singt „Warten“, und genau das tun die vier. Warten, daß etwas mit ihnen geschieht. „Die Frage nach dem Nutzen des Ganzen“ stellt das Wachturm-Kommando an der Haustür. Thomas Winkler

„Looosers!“, Regie: Christopher Roth. Buch: C. R. und Martin Rauhaus. Mit: Bernd Michael Lade, Oliver Korittke, Liane Forestieri u.a.; Deutschland, 1994, 108 Min.

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