Vor 52 Jahren aus Bremen deportiert: Erinnern allein nützt nichts
■ Gedenktafel für Sinti und Roma enthüllt
„Im März 1943 wurden Sinti und Roma aus Bremen und Norddeutschland vom Gelände des Schlachthofes in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Fast alle wurden ermordet. Mit ihnen fielen 500.000 europäische Sinti und Roma dem nationalsozialistischen Rassenwahn zum Opfer. Wir gedenken der Ermordeten und mahnen die Lebenden, Unmenschlichkeit und Rassismus entgegenzutreten.“
Diese Worte, vom Künstler Hawoli in rostiges Eisen gestanzt, sind auf einer Gedenktafel nachzulesen, die gestern von Helga Trüpel, Senatorin für Kultur und Ausländerintegration, und von Ewald Hanstein, dem Vorsitzenden des Landesverbandes der Sinti und Roma, auf dem Gelände des Schlachthofes feierlich der Öffentlichkeit übergeben wurde. Die Tafel erinnert an jene drei Tage zwischen dem 8. und 10. März 1943, an denen die Bremer Polizei 275 Sinti und Roma aus Betrieben, Wohnungen und Schulen holte, um sie auf dem Schlachthofgelände zum Abtransport nach Auschwitz zu sammeln. Mindestens 175 von ihnen wurden dort ermordet.
„Sie wurden vernichtet aus dem einzigen Grund, weil sie lebten,“ betonte Ewald Hanstein in seiner gestrigen Ansprache. „Aber die Transporte“, mahnte er, „hatten nicht nur einen Ende, sondern auch einen Anfang. Da erhob sich kein Protest unter den Bürgern, da schwiegen die Kirchen, da taten deutsche Beamte ihre Pflicht.“
Ewald Hanstein, der mit 18 Jahren von Berlin aus nach Auschwitz deportiert wurde, gehört zu den wenigen Überlebenden des Holocaust. Sie leiden noch heute an der Erinnerung. „Für uns gibt es kein Vergessen und keine Erlösung“, sagte Hanstein. „Wir wissen, daß Ausgrenzung und Diskriminierung Schritte zur Endlösung waren.“ Angesichts dessen, daß wieder „gewalttätiger Rassenhaß gegen Ausländer, Juden, Sinti und Roma“ aufkomme, „wächst unter uns Überlebenden die Angst“.
Helga Trüpel bezeichnete „die öffentliche Erinnerung nach erst 52 Jahren“ als „beschämend“, hofft aber, daß die Gedenktafel als „Zeichen für einen Neubeginn“ verstanden werde, als „Zeichen für Versöhnung“, die allein von den Opfern angeboten werden könne, nicht von den Tätern. In einem Rückblick auf die Zeit nach 1945 belegte die Senatorin die Kontinuität der Diskriminierung. Bis 1970 wurden Bremer Roma und Sinti in einem Landfahrerlager zusammengefaßt. Eine Verbesserung der Lebensbedingungen für Sinti und Roma sei auch hier erst mit deren Gründung eines Bundesverbandes eingeleitet worden.
Helga Trüpel begrüßte die von Bürgermeister Wedemeier angeregte Einrichtung des Gedenkfeiertages für die Opfer des Holocaustes am 16.12.1992, dem Jahrestag des Himmler-Erlasses zur Sammlung und Deportation der „Zigeuner“. Doch angesichts der bundesweit wieder zu beobachtenden „Renaissance faschistischer Ideologien“ warnte sie: „Erinnern an die Geschichte schützt offenbar allein nicht vor Verblendung und Ideologie.“
Dora Hartmann
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