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Krieg, Kunst und Videotapes

■ KünstlerInnen sehen den Slowenien-Krieg - und andere osteuropäische Videos, am Samstag auf dem Bremer Filmfest

Irak 1991: Angreifende US-Kampfflugzeuge zeichnen die Einschläge ihrer Luft-Boden Raketen auf Video auf. Die Bilder gehen via CNN um die Welt und begründen den Mythos vom mediengestützten, „sauberen“ Krieg. Eine Reihe mit osteuropäischen Videos auf dem Bremer Filmfest zeigt jetzt andere, künstlerisch motivierte Verarbeitungen von Kriegsbildern.

Slowenien 1991: Eine Menge hat sich versammelt. Wütend werden Fäuste gegen heranrückende Truppen geschüttelt. Die Kamera fährt zurück und entlarvt die Dokumentaraufnahmen als Projektion auf der Handfläche eines jungen Mannes, der mit seiner Partnerin eine pathetische Tanzperformance aufführt. Die beiden slowenischen Videokünstlerinnen Marina Grzinic und Aina Smid forschen in ihrem Videoband „Sejalec“ („The Sower“) nach dem „mystischen und politischen Universum der slowenischen Kunst und Kultur“ im Jahre 1991, den 10 Tagen im Juni/Juli 91, als jugoslawische Panzer auf die Landesgrenzen der unabhängigen Republik zurollten. Auffallend bei den slowenischen Bändern, die einen Schwerpunkt der Reihe bilden, ist der Umgang mit dem dokumentarischen Rohmaterial. Die „wahren“ Bilder werden in den Hintergrund verlagert, erscheinen auf der Blue Box, oder nur noch in kleinen Bildausschnitten, als optische Stichwortgeber.

Mit den neuen Medien und ihrer Rolle im jugoslawischen und anderen Kriegen, beschäftigen sich Grzinic und Smid auch in ihrem Beitrag „Luna 10“. Im Vordergrund imitiert ein junges Paar häusliches Leben. Während Sie kocht, sitzt Er in Unterhose am Tisch und gibt medienphilosophische Sentenzen zum besten. „Jeder Krieg schafft sich sein Medium, Korea und Vietnam waren Fernsehkriege, Jugoslawien ist ein Radiokrieg“. Auf der Blue Box im Hintergrund erscheint ein Amateurfunker, der Meldungen von Orten empfängt, die keine Fernsehbilder mehr erreichen oder verlassen können. Die Videokünstlerinnen suchen nach der Wahrheit hinter der reinen Abbildung der Ereignisse.

Den umgekehrten Weg geht die rumänische Etnographin Csilla Könczei mit ihrer Produktion „An Abstract Knowledge“.Sie interviewte Abhöropfer der rumänischen Sicherheitsbehörden und fragte deren Wahrnehmungen eines Lebens unter Observation ab.In anfangs konventioneller TV-Machart, klassischen Bildausschnitten und langen, ruhigen Gesprächssequenzen enstehen bedrückende Bilder hermetischer Innenräume und kafkaeske Visionen eines Lebens unter Aufsicht. „Je lauter man redete, desto weniger sprach man die Wahrheit.“ sagt eine Interviewte. Dann verändern sich die Bilder abrupt und nehmen Optik und Akustik der Gegenseite,die Sichtweise der Voyeure an. Grobkörniges Material und schnarrender Konserventon versetzen ZuschauerInnen in den Status des Überwachers.

„Diese Filme sind fürs offizielle Fernsehen gemacht worden“ betont Barbara Thiel, Filmbüro-Mitarbeiterin und Initiatorin der Reihe. Im deutschen Fernsehen müsste man nach Plätzen für solche Produkte lange suchen, selbst in den Programmnischen.Thiel zeichnet den Weg der VideokünstlerInnen aus dem Untergrund in die Studios der großen Fernsehanstalten nach. Besonders in Rumänien und in Ungarn seien im Verlauf der Senderbesetzungen ProduzentInnen ins TV gelangt, die während der Revolution in der künstlerischen Opposition gearbeitet hatten.Wie lange Videokunst, wie die auf dem Filmfest gezeigte, noch Teil der medialen Erinnerungsarbeit in Osteuropa sein wird, darüber wagt auch Thiel keine Prognose. Gunter Becker

Die Reihe mit Videos aus Polen, Slowenien, und Ungarn läuft am Samstag um 19.00 Uhr und am Sonntag um 16.00 Uhr im Kino 46. Einige Bänder werden auch bei „TONUS“, Am Wall 172, zu sehen sein, Samstag um 14.00

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