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Ein Körperkonzert

■ Ausgepellt: „heydinga weydinga scho“ im Ballhaus Naunynstraße

Gurgeln, quietschen, singen, stöhnen, schreien: „heydinga weydinga scho“, am Donnerstag im Ballhaus Naunynstraße uraufgeführt, ist eher ein Körperkonzert als ein Tanztheaterstück. Der Choreograph Lole Gessler nennt es „ein lautes bewegungsstück“. Tatsächlich wird es mehr als einmal laut. Zu verstehen gibt es hier nichts, darüber informiert schon das Programmheft, „bedenken sie: jede wahre sprache ist unverständlich“, wird einem als guter Tip ein Artaud-Zitat mit auf den Weg in die Vorstellung gegeben.

Die Sitzanordnung ist eine reine Freude. An allen vier Wänden sind Höckerchen für das Publikum aufgestellt. Drehbare Sitze, ohne Lehne, die gewisse Ähnlichkeit mit Fahrradsatteln aufweisen. Das Publikum sitzt sich gegenüber und kann sich wie ein Teil der Raumchoreographie fühlen. Die Mitte ist freigegeben für fünf „spieler“, die diesen Platz allerdings nur selten nutzen. Manchmal finden sich hier vier von ihnen zusammen, den größten Teil der Zeit verbringen sie aber auf Podesten, die in allen vier Ecken angebracht sind. Der fünfte „spieler“ spielt fast gar nicht mit. Er tritt nur in Erscheinung, um Unmengen an Klamotten einzusammeln, aus denen sich die anderen vier sukzessive herauspellen.

Was hier vor sich geht? Schwer zu sagen. Lole Gessler, der sich seit drei Jahren in seinen Arbeiten konsequent mit dem Prinzip Zufall auseinandersetzt, ist bei seinem neuen Stück auf eine merkwürdige Idee verfallen. Für „heydinga weydinga scho“ hat er nach einer Verbindung zwischen Improvisation und Zufall gesucht und ist mittels eines Videogerätes fündig geworden: Er hat die Improvisationen seiner vier „spieler“ gefilmt, und durch ein vom Zufall bestimmtes Verfahren wurden die Sequenzen ausgesucht, die der Zuschauer schließlich zu sehen und zu hören bekommt. Die vier Tänzer haben über das Filmmaterial ihre eigenen Improvisationen einstudiert! Es ist sicher eine skurrile, aber auch nicht ganz unproblematische Idee, den flüchtigen Moment der Improvisation per Kamera einzufangen und zu reproduzieren. Auf jeden Fall erscheint „heydinga weydinga scho“ in seinen besten Momenten lustig und realer als jede Realität.

Aber oft haben die Aktivitäten der Tänzer nicht mehr als Workshop-Niveau. Denn Improvisationen bieten zwar eine Chance, erstes Material zu entwickeln, mit dem man weiterarbeiten kann, mehr aber auch nicht. Und so bekommt man dann auch klischierte Abläufe zu sehen, die einem von Schüleraufführungen bekannt sind. Daß die „spieler“ zu wesentlich mehr in der Lage sind, merkt man ihnen an.

Was bleibt, ist die Hoffnung auf das nächste Stück Zufall von Lole Gessler. Ob es dann aber auch noch im Ballhaus Naunynstraße realisiert werden kann, steht in den Sternen. Dort ist man vom Senat mit Sparmaßnahmen geschlagen worden, die einen weiteren Gastspielbetrieb fast unmöglich machen. Eine absurde Situation: Das Haus wird weiterhin gefördert, erhält aber nur so wenig Geld, daß die Räumlichkeiten allein noch kommerziell genutzt werden können. Das heißt, Vermietung an private Bühnen, die eine Mindestabendmiete von 1.500 Mark zahlen können. Die schräge Kunst, die das Ballhaus in den letzten Jahren mit Vorliebe beherbergt hat, müßte draußen bleiben. Denn diese meist frei finanzierten Projekte können solche Summen nicht aufbringen. Statt, wie vom Kultursenat versprochen, neue Räume für Experimente zu schaffen, wird den wenigen, die es gibt, der Geldhahn zugedreht. Michaela Schlagenwerth

Nächste Vorstellungen: heute und morgen, 20 Uhr, Ballhaus Naunynstraße, Naunynstr. 27.

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