■ Bonn apart: Elend des Glücksspiels
Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben – und manchmal erlebt er erst hinterher was. So geht es derzeit den SPD-Abgeordneten Ottmar Schreiner und Gerd Andres, die sich Ende Februar einen Trip ins Zockermekka Las Vegas genehmigten. Nicht vom eigenen Geld allerdings. Für Transatlantikflug, Hotel und einen Teil der Verpflegung kam die „Informationsgemeinschaft Münz-Spiel“ auf, die PR-Agentur der deutschen Daddelautomaten-Branche.
Einige Kollegen aus der Bundestagsfraktion finden das gar nicht komisch. „Eine Riesensauerei!“ schimpft ein SPD-Abgeordneter. „Und das, obwohl jeder von uns Brandbriefe von Eltern spielsüchtiger Kinder auf dem Schreibtisch liegen hat, die sich bitter beklagen, daß wir in Bonn den Automatenaufstellern nicht das Handwerk legen.“ Harmlos, heißt es unter den Bonner Abgeordneten, sei die Lobby der Einarmigen Banditen ohnehin nicht: „Die haben mit viel Geld und einer guten Öffentlichkeitsarbeit hier schon viel erreicht.“ Zum Beispiel hätten sie Sondersteuern aufs Glücksspiel bisher erfolgreich verhindert.
Schreiner und Andres haben kein schlechtes Gewissen. Sie hätten mit ihrer Reise auf Kosten eines Lobbyisten gegen keine Benimmregel des Parlaments verstoßen. Als Sozialpolitiker müsse man sich schließlich auch für die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in der Glücksspielindustrie interessieren. Andres: „Ich habe viel gelernt.“
Während nun die beiden sozialdemokratischen Spesensünder unter Beschuß stehen, rätselt die Bonner Journaille seit Tagen, wer denn wohl die Las- Vegas-Touristen der anderen Fraktionen seien. Bekannt ist bisher, daß die Reisegruppe etwa 25 Köpfe stark war. Darunter sollen auch Journalisten, Unternehmer und Abgeordnete von CDU und FDP gewesen sein. Das Büro des gerüchteweise verdächtigten Friedhelm Ost (CDU) dementiert: „An Karneval fährt Herr Ost doch nicht nach Las Vegas.“
Und die Prügelknaben Schreiner und Andres wollen wenigstens nicht als Kameradenschweine dastehen. Sie schweigen sich über die Namen der anderen Kollegen aus: „Fragen Sie doch den Veranstalter!“ Weil aber die „Informationsgemeinschaft Münz-Spiel“ ebenfalls mit Informationen geizt, wird das Geheimnis um die anderen Las-Vegas-Reisenden vorerst eins bleiben. Andrea Dernbach
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