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Oldie-Zweikampf

■ Mit VH-1 und Viva2 gehen in diesen Wochen gleich zwei neue Musikkanäle für die mittlere Generation auf Sendung

Kaum sind die beiden Musiksender MTV und Viva aus den Kinderschuhen heraus, da kündigen sie Ableger an – für solche ihrer Zuschauer, die aus dem Teeniealter allmählich herausgewachsen sind. Gleich zwei Spartenkanäle sollen der Werbewirtschaft jetzt punktgenau die Zielgruppe der gutbetuchten Musikliebhaber zwischen 25 und 49 präsentieren: VH-1 („Video-Hits 1“) sendet seit dem Wochenende aus Hamburg über den Astra-Satelliten, derweil sich der Kölner Sender Viva2 darauf vorbereitet, ebenfalls Pop für die gesetzteren Jahrgänge ins deutsche Kabelnetz einzuspeisen. Zum Sendestart am 21. März wird erst mal ein Nonstop-Videoclip-Programm gefahen; vier Wochen später starten dann die ersten fünf Sendungen, denen im Monatsrhythmus weitere Shows folgen sollen.

VH-1 gehört ebenso wie MTV zu dem Medienkonzern Viacom des amerikanischen Tycoons Sumner Redstone. Der 71jährige Unternehmer kontrolliert in den USA außerdem die Paramount-Filmstudios, die Videokette Blockbuster, 800 Kinos, 14 Radiostationen, 4 Vergnügungsparks und die Kabelsender Nick at Nite und Nickelodeon.

Was guckt denn der „Ultra Consumer“?

Hinter Viva 2 stehen wie schon bei dem Teenie-Sender Viva vier der fünf größten Musikkonzerne der Welt: EMI, Warner Music, PolyGram und Sony sind mit je 19,8 Prozent an dem Sender beteiligt, die übrigen Anteile halten der Hamburger Versandhauserbe Frank Otto und die Viva-Medien- GmbH, ein Zusammenschluß von Videoclip-Produzenten.

Zwischen den beiden Sendern wird aller Voraussicht ein gnadenloser Kampf um Werbeeinnahmen, Kabelplätze und Zuschauer losbrechen. In den letzen Monaten hatten sich bereits die Mutterstationen Viva und MTV einen häßlichen „Krieg der Studien“ geliefert: Im November präsentierte MTV eine Untersuchung, die beweisen sollte, daß MTV-Zuschauer „Ultra Consumer“, „Future Freaks“ und „Decision Experts“ sind – was immer das heißen mag.

Das ließ Viva nicht ruhen: Ein Marktforschungsunternehmen fand im Auftrag des Senders heraus, daß pro Tag angeblich 642.000 ZuschauerInnen Viva einschalten, während nur noch 402.000 Menschen täglich MTV sahen. Das Viva-Publikum sei außerdem finanzkräftiger und höher gebildet als die MTV-GuckerInnen. Sofort revanchierte sich MTV mit einer Pressemitteilung über das Ergebnis einer Umfrage der Zeitschrift Musikexpress/Sounds: Da hatten 62,8 Prozent der kundigen Leserschaft MTV als ihren Lieblingsmusiksender genannt und bloß 37,2 Prozent Viva.

Mit Grönemeyer und den Toten Hosen

Die PR-Posse wird nicht ohne Grund aufgeführt: MTV hatte Deutschland, nach den USA und Japan der größte Musikmarkt der Welt, jahrelang kaum Beachtung geschenkt. Als Viva mit einem auf den deutschen Markt zugeschnittenen Programm dem transeuropäischen Sender hier plötzlich die Zuschauer und Werbekunden abspenstig machte, begann man auch bei MTV Konzessionen an die deutschen Zuschauer zu machen: Die Verleihung der europäischen MTV-Awards fand vor dem Brandenburger Tor statt, und plötzlich laufen auch Grönemeyer und die Toten Hosen auf MTV.

Der Grund für die Unruhe in London: Nach dem Erfolg von Viva machte das Gerücht die Runde, daß die Viva-Teilhaber auch in anderen Ländern Konkurrenzstationen aufbauen wollen. Aus dem schnellen Erfolg von Viva haben Viacom und MTV jedenfalls gelernt: Für den deutschen Markt soll VH-1, das schon seit zehn Jahren in den USA und seit September 1994 in Großbritannien läuft, mit 80 Mitarbeitern ein eigenes nationales Programm produzieren: Schlager und Heimatklänge gibt es zwar nicht, dafür aber sonst viel deutsches Liedgut: von Lindenberg über Westernhagen bis Jule Neigel, außerdem Oldies, Classic Rock und Mainstream-Pop.

Außer 24 Stunden Musikberieselung pro Tag soll es bei VH-1 auch Zeit für lange Interviews und Magazinsendungen geben, heißt es eher vage in Hamburg. In Planung seien unter anderem eine Kooperation mit der deutschen Ausgabe von Rolling Stone und das TV- Ökomagazin „Green TV“, das von dem Model Tatjana Patitz moderiert werden soll.

Ein Grund für die Verstimmung bei MTV sitzt in Köln und versucht gerade, Deutsch zu lernen: Steven Blame, bis Ende 1994 Nachrichtenchef bei MTV und künftig Programmdirektor von Viva 2. Der 36jährige Brite soll dem Oldiesender Profil geben. Auch Blame schweigt sich über seine Programmplanung noch aus, die Konkurrenz schläft bekanntlich nicht. Seine 16köpfige Crew plant unter anderem eine Talk-Show namens „So?Ja!“, die Frühstücksshow „Sonnenschein“, eine Weltmusiksendung und ein Magazin „Geschmackssache“, in dem Prominente wie Holly Johnson und Herbert Grönemeyer ihre Lieblingsstücke vorstellen können.

Lokalsender ohne bundesweite Kabelplätze?

Wer all das zu sehen bekommt, ist allerdings noch unklar, denn die deutschen Kabelnetze sind eigentlich voll: Obwohl Viva 2 seine Lizenz in Nordrhein-Westfalen bekommen hat und daher ein „Recht auf Einspeisung“ hat, weiß man in der Düsseldorfer Landesmedienanstalt bisher noch nicht mal, ob Viva 2 überall in NRW ins Kabel kommen wird. Auch bei VH-1 ist bisher nur klar, daß der Sender von 20 bis 8 Uhr über Astra und demnächst in den Nordländern per Kabel verbreitet werden soll. Solange allerdings die beiden Musiksender noch als Lokalstationen agieren, werden sich die umworbenen Werber mit gewinnbringender Fernsehreklame erst mal zurückhalten. Tilman Baumgärtel

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