: Hochsicherheitstrakt mal so eben nebenbei
■ Häftlinge im Tegeler Knast beklagen menschenunwürdige Isolationspraktiken im „toten Flügel“ der Teilanstalt III
Gefangene der Justizvollzugsanstalt Tegel beklagen, daß immer mehr Insassen im toten Flügel der Teilanstalt III isoliert werden. Mehrere Schleusen und eine Art eingezäuntes Freigehege trennen die dort untergebrachten Häftlinge von allen anderen Insassen. Eine indirekte Wiedereinführung des berüchtigten Hochsicherheitstraktes in Moabit, der Ende der achtziger Jahre vom rot-grünen Senat abgeschafft wurde?
„Gegen diese Höhle hier war der Hochsicherheitstrakt geradezu ein Paradies“, erklärt ein Häftling, der lange Zeit im Moabiter HS- Trakt untergebracht war und nun in Tegel unter einem fadenscheinigen Vorwand in diesen Bereich gebracht worden ist. Der Gefangene, der bei der Anstaltsleitung als schwierig gilt, hatte sich in eine Auseinandersetzung zwischen Insassen eingemischt und einen Mithäftling verteidigt. Für die zuständige Sozialarbeiterin ein Grund, ihn auf die Station B1 zu verlegen. Ein Justizbeamter: „Wenn man alle Häftlinge, die sich prügeln, in die Absonderungsabteilung stecken wollte, müßte man anbauen.“
Den Bereich B1 in der Teilanstalt III gibt es schon seit mehreren Jahren. In diesem separaten Flügel des alten Backsteinbaus hatte man bislang nur vereinzelt Häftlinge untergebracht, die für ihre Mitinsassen gefährlich waren. Doch in letzter Zeit wird dieser Bereich, von der Öffentlichkeit unbemerkt, zum Sicherheitstrakt umfunktioniert, in dem man unbequeme Gefangene isoliert.
So wird den dort Inhaftierten die Aushändigung persönlicher Gegenstände vorenthalten. Weil das mit dem Strafvollzugsgesetz nicht zu vereinbaren ist, werden Anträge auf Aushändigung von Schreibmaschinen, Papier, Radio- oder Fernsehgeräten einfach nicht zur Kenntnis genommen. „Die lassen hier die Anträge einfach verschwinden“, klagt ein Gefangener, der wie alle hier auf unbestimmte Zeit in diesem Bereich untergebracht ist.
Eine Besucherin, die einen Gefangenen in diesem toten Flügel besuchte, war über die menschenunwürdigen Haftbedingungen erschüttert. Der etwa sechs Meter lange und fünf Meter breite „Freistundenhof“ erlaube den Gefangenen nur, wie ein Zootier im Kreis um einen Gefängniswärter herumzulaufen. Ein Vergnügen, auf das die insgesamt sechs Häftlinge der Station B1 freiwillig verzichten.
Die Justizpressestelle teilte mit, die Station B1 sei kein Hochsicherheitstrakt, sondern es handele sich hier bloß um „unausgesetzte Absonderung (Einzelhaft), die dann zulässig ist, wenn dies aus Gründen, die in der Person des Gefangenen liegen, unerläßlich“ sei. Was diese Isolationsmaßnahme von der Unterbringung in einem Hochsicherheitstrakt unterscheidet, konnte die Pressestelle nicht erklären.
Mit den Schilderungen der Haftbedingungen in diesem Anstaltsbereich konfrontiert, hat sich amnesty international bereit erklärt, die Informationen an die Londoner Zentrale zur Überprüfung weiterzuleiten. Peter Lerch
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