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Das Ende der Latex-Giftspritzer

„Spitting Image“, die wohl bekannteste Satiresendung des englischen Fernsehens, wird eingestellt. Nach fünfzehn Jahren unter einer Tory-Regierung fällt den MacherInnen einfach nichts mehr ein  ■ Von Ralf Sotscheck

Dublin (taz) – Nach elf Jahren ist Schluß: Die 800 Latexpuppen der hundsgemeinen englischen Satiresendung „Spitting Image“ werden im Herbst eingemottet. Die Serie habe in den letzten Jahren erheblich an Schärfe verloren, sagte eine Sprecherin von Independent Television. Das zeigten auch die Einschaltquoten: Mitte der achtziger Jahre lockten die Puppen jede Woche bis zu 15 Millionen Menschen vor den Bildschirm, inzwischen sind es nur noch 6,4 Millionen. Die Fernsehanstalt versprach, etwas Neues und genauso Unbarmherziges auf die Beine zu stellen.

So bitterböse die Latex-Karikaturen waren, so war es stets auch eine Ehrung, für wichtig genug erachtet zu werden, um bei „Spitting Image“ – eine Doppeldeutigkeit: „wie aus dem Gesicht geschnitten“, aber auch „giftspritzend“ – einen Auftritt zu bekommen. Die Betroffenen sahen das meist anders – allen voran Sir David Steel, ein Gründungsmitglied der längst vergessenen sozialliberalen Allianz. „Spitting Image“ stellte ihn als grinsendes Kleinkind in der Jackentasche seines Kollegen David Owen dar und ruinierte seinen Ruf dadurch so nachhaltig, daß die WählerInnen seine Unterhauskandidatur für einen Witz hielten und ihre Stimme anderen gaben.

Auch die königliche Familie war vermutlich „not amused“ – „Spitting Image“ nahm sie unbarmherzig und immer am Rande der Majestätsbeleidigung aufs Korn: eine stets kreischende Queen mit Pferdegesicht, ihr eselsohriger Sohn mit völlig geistesabwesender Miene, die Königinmutter als Trinkerin und Zockerin, Schwiegertochter Fergie als mannstolles Aktmodell und Prinz Philip als langnasiger Zyniker. Die Ex-Ministerin Edwina Currie, deren abgrundhäßliche Latexversion ursprünglich einen Wutanfall bei ihr ausgelöst hatte, ist davon überzeugt, daß die Windsors erheblich zum Aus für die Satiresendung beigetragen haben: „Die Mätzchen der königlichen Familie sind inzwischen so bizarr“, sagte sie vorgestern, „daß es kaum noch lohnt, sie zu imitieren.“

Und BBC-Produzent Armando Iannucci fügte hinzu: „Ein Problem für die Sendung war die Tatsache, daß seit 15 Jahren dieselbe Regierung an der Macht ist. Es ist langweilig, immerzu dieselben Leute anzugreifen.“ Manchen gingen die Angriffe allerdings ziemlich nahe: So bewies Norma Major, daß sie ebensoviel Sinn für Satire hat wie ihr Mann John, der Premierminister. „Also, ich habe die Sendung zwar nicht gesehen, aber ich finde, das ist jetzt nicht mehr komisch“, meinte sie, nach dem ersten Auftritt der durch und durch grauen Puppe ihres Mannes.

Der eitle Industrieminister Michael Heseltine, der wegen seiner blonden Mähne als Tarzan porträtiert wurde, war dagegen von seiner Puppe so begeistert, daß er umgerechnet rund 18.000 Mark dafür bot. Das Geschäft platzte jedoch, weil man von ihm verlangte, den Scheck auf die Labour Party auszustellen. Die Herstellung der 60 Zentimeter großen Puppen war übrigens recht teuer: Jede Figur kostete fast 5.000 Mark. Einen Großteil der Kosten bekam die Produktionsfirma jedoch mit Hilfe der ehemaligen Premierministerin Margaret Thatcher wieder herein: Das ondulierte Brechmittel ging als Latex-Hundeknochen 120.000mal über den Ladentisch.

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