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Kindergarten-Poker

■ Sozialressort und Evangelische Kirche streiten um 250 neue Kita-Plätze

„Die Stadt nimmt unseren gemeinsamen Vertrag nicht ernst“, empörte sich gestern Inge Gurlit, Vizepräsidentin des Evangelischen Kirchentages. „Erst gestern bekamen wir für unseren Vorschlag, den Kindergarten in der Sankt-Remberti-Gemeinde in Schwachhausen zu erweitern, wieder eine Absage. ,Kein Bedarf' heißt es aus der Behörde, obwohl wir für zwanzig neue Plätze Anfragen vorliegen haben.“

Wenn die Bremische Evangelische Kirche (BEK) 250 neue Kindergartenplätze in der Stadt einrichtet, senkt ihr die Behörde dafür den Investitions-Eigenanteil von 35 Prozent auf 30 Prozent. Dies ist eine gemeinsame Abmachung von Sozialsenatorin Irmgard Gaertner und BEK, die beide bereits vor einem Jahr vertraglich festgelegt haben. Die meisten von der BEK eingebrachten Vorschläge sind jedoch vom Sozialressort inzwischen abgelehnt worden, und in der Kirche macht sich nun verstärkt Unmut breit.

Heute und morgen tagt der Evangelische Kirchentag in Bremen, dabei werden die Top-Tagesord-nungspunkte sich vor allem um das Thema „Sparmaßnahmen“ drehen. „Wir werden den Sachstand dort berichten“, sagt Inge Gurlit. „Und irgendwann wird der Kirchentag darauf bestehen, daß wir auf die 30 Prozent Eigenaufwand im Kindergartenbereich runterkommen. Zieht die Stadt da nicht mit, werden wir selbst runterdosieren und uns langfristig aus dem Bereich rausziehen müssen.“

Drei Ausbauvorschlägen der BEK hat das Sozialressort seit März letzten Jahres Unterstützung zugesagt (in den evangelischen Gemeinden Lüssum, Blockdiek und Waller Heerstraße), das entspricht 74 neuen Plätzen. „Schon im Juli hat aber dann ja der Senat beschlossen, keine weiteren Neubauten innerhalb dieser Legislaturperiode zuzulassen“ – Karl Christ, Kita-Referent im Sozialressort, sieht deshalb überhaupt kein Handlungsdefizit vonseiten der Behörde. „Allen anderen Projekten konnten wir nicht zusagen, weil es in den Stadtteilen, wo die Kirche ausbauen wollte, nach den aktuellen Zahlen und Prognosen vom Einwohnermeldeamt keinen Bedarf gibt.“

Damit werde jedoch keineswegs der Vertrag zwischen Behörde und BEK gebrochen, betont Karl Christ. Man sei keinerlei zeitliche Verpflichtung eingegangen – bis wann wieviele der zusätzlichen Plätze zu kommen haben, stehe in dem Vertrag nicht drin. „Und die Spielkreisplätze, welche die Kirche jetzt ständig in die Diskussion wirft, waren in dem Vertrag nicht gemeint, weil sie keinen Ausbau bedeuten.“

Über 1200 Spielkreisplätze unterhält die BEK in ihren Gemeinden, die ausschließlich über Kirchenmittel finanziert werden. „Die sollen endlich als Kindergartenplätze anerkannt werden“, fordert Inge Gurlit. „Die Stadt weigert sich, rechnet aber im Gegenzug diese Plätze mit in ihren Bestand ein. Wenn wir ab nächstem Jahr dann den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz haben, werden die betroffenen Eltern die Stadt verklagen.“

Leider könnten sie das tatsächlich tun, bestätigt Karl Christ. Die Eltern könnten ab Gültigkeit des Rechtsanspruchs auf Gleichbehandlung klagen: „Es ist aber immer noch nicht klar, wann und wie das kommt.“ So lange man in Bremen noch von den 90 Prozent Kindergarten-Bedarfsdeckung ausgeht, so lange werde man dort, wo diese 90 Prozent erreicht sind, doch nichts Neues planen. „Die Kirchen übernehmen ja sowieso nur ein Drittel der Investitionskosten, die laufenden Kosten haben wir dagegen voll zu tragen.“

„Das ist ein schwieriges Tauziehen, und die Stadt verschenkt dabei ihre Zeit“, kontert Inge Gurlit. „In einigen Gemeinden hätten wir sofort losbauen können, aber das wurde erfolgreich abgeblockt.“ Stattdessen versuche die Behörde nun, sich mittelfristig mit Eltern-Kind-Initiativen aus der Misere zu retten. In der Evangelischen Gemeinde in Oberneuland verhandelt man bereits darüber, ob circa 80 kirchliche Spielkreisplätze künftig gemeinsam über Elternbeiträge, Zuschüsse der Stadt und einem kleinen Anteil der BEK finanziert werden können. Inge Gurlit, einigermaßen empört: „Da hieß es aus der Behörde: Die sind ja mobil, die schaffen das. Selbsthilfe-Initiativen sollen jetzt das Kindergartenloch stopfen.“ sip

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