■ Mit dem Hörensagen auf Du und Du: Niederlage für „Focus“
Der Burda-Verlag hat zuviel Geld und schmeißt damit um sich: : Anders ist es kaum zu erklären, daß das Münchner Nachrichtenmagazin „Focus“ gestern die Berufung gegen ein erstinstanzliches Urteil des Bremer Landgerichts nicht zurückzog, obwohl der Fall eindeutig aussichtlos ist. Denn der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichtes ließ keine Zweifel daran, wie er über die Berufung von „Focus“ zum Thema „Verdachtsberichterstattung über die PKK“ zu entscheiden gedenkt: „Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.“
Im November des letzten Jahres hatte das Landgericht dem Magazin bei Androhung von 500.000 Mark Zwangsgeld untersagt, weiterhin zu behaupten, zwei Bremer Kurden seien als Schläger und Kassierer für die PKK tätig. „Focus“ hatte am 26. September in einem Artikel über „organisiertes Verbrechen in Deutschland“ berichtet, die zwei Bremer Kurden seien „Schutzgelderpresser“ und „Mitglieder eines Schläger-Duos“. Das Landgericht entschied, hier sei „Focus“ bei Tatsachenbehauptungen erkennbar zu weit gegangen, ohne Beweise vorlegen zu können: „In dieser Form darf nicht berichtet werden“, hieß es, das Magazin habe sich weder an den Pressecodex noch an das Persönlichkeitsrecht gehalten.
Bei der kurzen Berufungsverhandlung gestern argumentierte der „Focus“-Anwalt mit dem Verfahren gegen einen der Beschuldigten, Said Bilgin. Dieser ist inzwischen unter dem Verdacht des Mordes und der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung vom Generalbundesanwalt verhaftet worden und sitzt in Freiburg in Unteruschungshaft. „Das beweist, daß Focus mit der Berichterstattung Recht hatte“, meinte der Anwalt.
Da aber war das Gericht ganz anderer Meinung. Bei den Beschuldigungen im „Focus“ handele es sich um andere Vorwürfe. Auch sei die Tat, die Bilgin zur Last gelegt werde, erst nach der „Focus“-Veröffentlichung geschehen. Für den schwerwiegenden Vorwurf fehlten dem Nachrichtenmagazin die „präsenten Beweise“. Man habe mit Ermittlern und V-Leuten gesprochen, meinte der „Focus“-Anwalt, doch deren Aussagen und Identitäten unterlägen dem Informantenschutz. Die Ermittlungsakten schließlich wollte die Bundesanwaltschaft nicht rausrücken. Das Urteil ergeht in einer Woche, danach wird es wohl einen Prozeß in der Hauptsache geben: Solange allerdings darf „Focus“ die Behauptungen nicht wiederholen.
Diese Auflage aber sieht Bernd Rasehorn, Anwalt eines der Kläger, bereits verletzt. In der Ausgabe 1/95 habe Chefredakteur Markwort die Aussagen wiederholt. „Ich werde beantragen, das Zwangsgeld festzusetzen“, meinte Rasehorn. bpo
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