: „Bald wieder einheitliche Ausländerpolitik“
■ Niedersachsens Innenminister Glogowski (SPD) erwartet keinen Rechtsstreit zwischen Bundesinnenminister und Länderregierungen / Spielraum für Abschiebestopp bis Juni
taz: Bonn hat den Abschiebestopp für Kurden aufgehoben, Sie und die meisten SPD-Innenminister der Länder wollen das nicht mitmachen?
Gerhard Glogowski: Das Hearing des deutschen Bundestags zur Situation der Kurden in der Türkei muß nun zunächst ausgewertet werden. Der Bundestag wird am 26. April die Ergebnisse dieses Hearings diskutieren. Diesen Termin muß man abwarten, bevor es zu einer Entscheidung über den Abschiebestopp kommt.
Gesetzlich ist der Bundesinnenminister zuständig. Erwarten Sie jetzt Druck aus Bonn?
Das werden wir sehen. Eigentlich müßte der Bundesinnenminister einem solchen Wunsch der Länder entsprechen. Es ist auch rechtlich möglich, daß die Länder einen solchen Wunsch äußern. Aber natürlich müssen wir uns am Ende mit dem Bund einigen. Schließlich ist vom Gesetz her eine einheitliche Ausländerpolitik in der Bundesrepublik vorgesehen, und dazu muß es auch bald wieder kommen.
Droht jetzt ein Bund-Länder- Streit, der letztlich vor dem Bundesverfassungsgericht ausgetragen werden müßte?
Das wäre sicherlich möglich. Aber ich glaube nur nicht, daß sich dieser Anlaß dazu eignet. Die Rechtslage scheint mir doch einigermaßen klar zu sein. Weil durch das Urteil gegen die kurdischen Parlamentarier im Mitte Dezember vergangenen Jahres eine neue Sachlage entstanden war, konnten die Länder von sich aus einen halbjährigen Abschiebestopp verhängen. Da wir uns auf diese Rechtsauffassung stützen, haben wir noch einen bis Juni reichenden Spielraum. Angesichts der Rechtslage kann ich mir nicht vorstellen, daß der Bundesinnenminister in dieser Frage einen Rechtstreit zwischen Bund und Ländern anstrebt. Am Ende allerdings, wenn wir unsere Spielräume ausgeschöpft haben, wenn wir keine rechtliche Handhabe mehr haben, kann der Bundesinnenminister durchaus verfügen, daß wieder abgeschoben wird. Wir sind dann gezwungen, die Abschiebungen durchzuführen.
Warum haben sich jetzt nicht wenigstens die SPD-regierten Länder auf ein gemeinsames Vorgehen einigen können?
Wir einigen uns schon, wir sind gerade dabei. Wir haben erste Gespräche auf Staatssekretärsebene bereits geführt. Wir werden noch im März zu einer Absprache auf der Ebene der sozialdemokratischen Innenminister kommen müssen, und ich hoffe, daß es dann wenigstens zu einem einheitlichen Verfahren der SPD-Länder kommen wird. Bis dahin, bis zum ersten April, schieben alle SPD-Länder ohnehin nicht ab.
Sollten jetzt kurdische Flüchtlinge schnell aus CDU-regierten in SPD-regierte Länder umziehen?
Dazu haben sie keine Chance. Dann müßten die SPD-regierten Länder auf dem Wege der Amtshilfe tätig werden. Wir müßten gegebenenfalls die Flüchtlinge etwa nach Bayren zurückbringen. Das könnte der bayrische Innenminister verlangen und würde es wohl auch verlangen.
Interview: Jürgen Voges
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen