: Kanonenfutter für die Front
■ betr.: „Zum Krieg einberufen“, taz vom 10. 3. 95
Wieso ist es unklar, woher die bosnischen Militärbehörden die Adressen für die Einberufungen haben? Das ist sehr einfach. Wenn ein bosnischer Kriegsflüchtling im wehrpflichtigen Alter, der seiner Einberufung in die bosnische Armee nicht Folge leisten wollte oder gar aus ihr desertiert ist, bei einer deutschen Ausländerbehörde Duldung beantragt, ist dafür Voraussetzung, nachzuweisen, daß er aus Bosnien stammt. Dies kann er durch den immer noch gültigen jugoslawischen Paß mit den Buchstaben BH für Bosnien-Herzegowina. Legt er diesen vor, wird ihm von der Ausländerbehörde trotzdem nahegelegt, sich beim zuständigen bosnischen Konsulat einen neuen bosnischen Paß zu besorgen. Dafür muß er erst einmal 500 Mark an die bosnische Regierung bezahlen. Eine weitere Bedingung für das Ausstellen des Passes ist, daß er schriftlich seine Bereitschaft erklärt, als bosnischer, wehrpflichtiger Bürger auch in der Armee zu dienen.
Da im Moment sowieso nur Kriegsflüchtlinge aus Bosnien die Möglichkeit haben, in der BRD als Kriegsflüchtlinge anerkannt und so geduldet zu werden, versuchen auch einige Flüchtlinge aus anderen Teilstaaten des ehemaligen Jugoslawien, irgendwie einen bosnischen Paß zu bekommen. Mancher serbische Bürger hat eine Geburtsurkunde, die in einem bosnischen Ort ausgestellt wurde, und beantragt damit die bosnische Staatsangehörigkeit bei einem bosnischen Konsulat. Alle Flüchtlinge, die in bosnischen Konsulaten ihre Pässe beantragen, geben dadurch den Behörden ihren Aufenthaltsort bekannt.
Die Tatsache, daß die bosnischen Militärs ihre in die BRD geflüchteten Deserteure und Kriegsdienstverweigerer erneut einberufen, zeigt auf, wie notwendig es ist, diesen und allen anderen aus den Teilstaaten des ehemaligen Jugoslawiens Asyl und ein dauerhaftes, sicheres Bleiberecht zu gewähren. Die einstimmig verabschiedete Entschließung des Europäischen Parlaments vom 28. 10. 1993 fordert alle Staaten der Europäischen Gemeinschaft ausdrücklich dazu auf.
Nur so kann gewährleistet werden, daß Kriegsdienstverweigerer und Deserteure vor erneuter Einberufung in den Krieg geschützt werden. Da die Bundesregierung nicht dazu bereit ist, leistet sie aktive Amtshilfe für bosnische Militärbehörden und schickt neues Kanonenfutter an alle Fronten im ehemaligen Jugoslawien. Auf diese Weise will sie sich auch gleich des lästigen Flüchtlingsstroms entledigen.
Ein Regierung, die selbst auf Krieg setzt und ihre Soldaten weltweit einsetzen will, kann Deserteure und Kriegsdienstverweigerer aus anderen Gesellschaften nicht unterstützen! Deutsche Friedensgesellschaft
Vereinigte Kriegsdienstgeg-
nerInnen, Gruppe Flensburg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen