: Geheime Gespräche hinter den Kulissen
■ Bosniens Präsident Izetbegović sondiert Verständigungsmöglichkeiten mit Milošević für den Fall, daß die muslimisch-kroatische Allianz scheitert
Bonn/Genf (taz) – Nach außen hin demonstrierte der bosnische Präsident Alija Izetbegović gestern Entschlossenheit: wenn bis zum Auslaufen des Waffenstillstands in Bosnien am 30. April keine politische Lösung erreicht sei, werde man die Feuerpause nicht verlängern, erklärte der Präsident zum Abschluß seines zweitägigen Besuches in Bonn. Verhandlungen mit den bosnischen Serben machte er von deren vorheriger Zustimmung zum Teilungsplan der internationalen Kontaktgruppe (USA, Rußland, Großbritannien, Frankreich und Deutschland) abhängig.
Die offiziellen Worte des Präsidenten können aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß Beauftragte von Izetbegović hinter den Kulissen schon mindestens seit Anfang März direkt mit Belgrad über ein neues „Angebot“ des serbischen Präsidenten Slobodan Milošević verhandeln. Dieses „Angebot“ ist auch in dem seit einiger Zeit angekündigten neuen Moskauer „Friedensplan“ enthalten, den der russische Außenminister Kosyrew nächste Woche in Genf seinem US-amerikanischen Amtskollegen Warren Christopher offiziell unterbreiten will.
Die direkten Kontakte zwischen Sarajevo und Belgrad wurden Anfang März unter anderem bei einem Treffen der Außenminister Bosniens, Griechenlands und Irans, Ljubliankic, Papoulias und Velayati, angebahnt. Im Auftrag von Izetbegović und unter Vermittlung Schweizer Regierungsstellen traf sich daraufhin Bosniens Botschafter in Bern, Filipović, in der Schweiz mit einem Abgesandten von Milošević. Am Dienstag dieser Woche reiste Filipović schließlich zu Gesprächen nach Belgrad.
Gegenstand der muslimisch- serbischen Sondierungen ist das „Angebot“ von Milošević, statt der von der Kontaktgruppe ursprünglich verlangten gleichzeitigen völkerrechtlichen Anerkennung Kroatiens und Bosniens zunächst nur Bosnien in seinen heutigen internationalen Grenzen anzuerkennen.
Miloševićs Bedingung: die Aufhebung aller Wirtschaftssanktionen und die Anerkennung von Serbien/Montenegro als alleinigen Nachfolgestaat der ehemaligen jugoslawischen Föderation durch die Regierung in Sarajevo.
Das neue „Angebot“ des serbischen Präsidenten zielt darauf ab, die Konflikte in der muslimisch- kroatischen Allianz zu verschärfen und Differenzen innerhalb der bosnischen Führung zu schüren. Kroatische Diplomaten in Genf zeigten sich höchst verunsichert über die muslimisch-serbischen Kontakte. Die Tatsache, daß Izetbegović seine ursprünglich geplante Teilnahme an den Washingtoner Veranstaltung zum Jahrestag der muslimisch-kroatischen Föderationsvereinbarungen am Donnerstag absagte und statt dessen nach Bonn reiste, wird vor diesem Hintergrund als bewußter Affront gegen die kroatische Seite gewertet. Izetbegović hatte der Föderation vor einem Jahr nur nach massivem Drängen durch seinen Vize Ganić und durch Premierminister Silajdzić zugestimmt. Es ist derzeit zumindest unklar, ob die von Izetbegović veranlaßten Sondierungen mit Belgrad von Ganić und Silajdzić unterstützt werden.
Izetbegović beklagte gestern auch, daß die gegen Serbien verhängten Sanktionen nicht eingehalten würden und die Kämpfe vor allem in Bihać wiederaufgeflammt seien. Die Grenze über den Fluß Drina sei nicht dicht. Schwierig sei auch die Situation in Sarajevo. Dies verlängere den Krieg in Bosnien-Herzegowina. Andreas Zumach
Siehe auch Seite 8
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