: Viel Filmfest für wenig Besucher
■ Das Bremer Filmfest ging zu Ende. Die Bilanz: 2 Minuten Götz George, kilometerlange Filmstreifen, aber kaum Fest
Eigentlich könnten Organisatoren und Publikum zufrieden sein: das Bremer Filmfest verging ohne größeres Maleur und mit nur wenigen Peinlichkeiten – das Programm war zwar etwas unübersichtlich, über die Auswahl von einigen der gezeigten Werke könnte man sich durchaus streiten, aber es gab neun Tage lang interessante Filme – und bei den meisten davon war dies die einzige Gelegenheit, sie einmal auf einer Leinwand zu sehen. Trotzdem wurde die Stimmung im Waller Medienzentrum von Tag zu Tag gedrückter, denn es kamen viel weniger Bremer als erwartet. Viele Filme liefen vor einer Handvoll Zuschauer, und wenn diese dann noch so begeistert waren – ein fast leerer Saal stimmt immer traurig.
Selbst bei dem überall so großartig angekündigten Auftritt von Götz George war das Kino längst nicht ausverkauft – aber hierbei war das Publikum auch nur als Kulisse wichtig: bei diesem Medienspektakel traten sich vier verschiede Kamerateams auf die Füße, blendeten mit ihren Scheinwerfern penetrant das Publikum, und Götz George verschwand nach etwa zwei Minuten unddrei artigen Grußsätzen wieder von der Bühne. Den Zuschauern wurden dann acht Minuten Video aus seinem neuen, noch nicht fertiggeschnittenen Film „Die Sturzflieger“ zugemutet – ohne jede einleitende Erklärung, so daß man unmöglich verstehen konnte, was man da zu sehen bekam. Dannach lief „Die Katze“ als Ersatzfilm für den angekündigten Ersatzfilm „König Midas“, den die Produktiosfirma nicht für das Festival freigegeben hatte. Der ganze Abend schlitterte also nur knapp an einer Blamage vorbei, aber wichtig ist ja letzlich nur das eine: Er ist dagewesen !
Wirklich gute Stimmung kam dagegen bei einem uralten Film auf: 60 Jahre nach seiner Premiere konnte man den im Teufelsmoor gedrehten Film „Das Mädchen vom Moorhof“ von Detlef Sierck nocheinmal in einem Bremer Kino sehen – und bei dem Melodram von der armen Magd, der hochmütigen Beamtentochter und dem jungen Bauern Karsten schnieften sogar die ganz hartgesottenen Bremer Filmemacher in ihre Taschentücher. Der Schmachtfetzen hat auch heute noch nichts von seiner tränentreibenden Wirkung verloren, und man konnte an dem Frühwerk des Regisseurs schon genau erkennen, warum er in Hollywood unter dem Namen Douglas Sirk die wohl gefühlvollsten Liebesfilme der 50er Jahre schaffen konnte.
Die Vorführung dieses Films war vielleicht der Höhepunkt des Festivals – wenn es einen Publikumspreis geben würde, wäre er an diesen alten Schinken gegangen, und das gerade ein Film aus der Reihe „Bremen historisch“ so gut ankam, sollte den Organisatoren zu denken geben. Videos aus Osteuropa oder ein Überblick auf die Filmgeschichte der Schweiz waren vielleicht doch zu speziell für ein Filmfest, das gerade mal zwei Jahre alt geworden ist, aber für die nächsten Jahre gibt es noch einige in Bremen gedrehte Filme zu entdecken.
Und dann ist noch über ein gewagtes Experiment zu berichten: den „Bremer Filmball“ im World Trade Center mit Revue, Büfett, Tanz und Abendgarderobe. Und hier war es nur gut, daß nicht so viele zahlende Gäste gekommen waren, denn mit dem Versuch, die Bremer Filmszene mit den „feinen Adressen“ der Stadt unter einen Hut zu bringen, wurde wohl keiner so recht glücklich. Trotz Schweizer Kabarett, Travestie und „Jonglage“ kam die gebuchte feierliche Stimmung nicht auf, und amüsant war nur der rasende Reporter von der Hansawelle, der mit gezücktem Mikro und zunehmender Verzweiflung jeden fragte, ob er nicht irgendwo doch einen Prominenten gesehen habe. Solch einen Filmball wird es wohl so bald in Bremen nicht wieder geben – aber das FilmFest muß nur die ganz gewöhnlichen Startschwierigkeiten überwinden, mit denen auch alle ähnlichen Veranstaltungen in den ersten Jahren zu kämpfen haben. In Braunschweig und Emden begann es genauso zögernd – aber sobald die Filmtage dort als feste Institutionen anerkannt waren, strömte das Publikum.
Wilfried Hippen
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