: „Zeit des internen Protestes ist vorbei“
■ DGB, Kirche und Flüchtlingsinitiativen kritisieren Abschiebepolitik des Senates
Heute läuft in Bremen der Abschiebstop für türkische Flüchtlinge kurdischer Volkszugehörigkeit aus. Während die Mehrheit der SPD-regierten Bundesländer sich gegen die Abschiebung bis mindestens April oder Juni ausgesprochen hat, wählte der Bremer Senat in seiner Sitzung am 14. März die harte Linie von Bundesinnenminister Kanther (CDU).
„Uns sind Verfolgungsmaßnahmen an Kurden allein aufgrund ihrer Herkunft bzw. Ethnie im ganzen Land bekannt,“ schreibt amnesty international in seinem letzten Jahresbericht. „Die Entwicklungen der letzten Monate haben zu einer weiteren Zuspitzung der Situation geführt.“ Ähnliches ist zu den ethnischen AlbanerInnen im Kosovo-Gebiet zu lesen, für die Innensenator van Nispen ebensowenig einen Abschiebestop anordnen will wie für Sri Lanka, Togo, Liberia, Sierra Leone und Zaire. Der Abschiebestop für iranische Flüchtlinge wurde mit sofortiger Wirkung aufgehoben.
In den Iran zurückgeschickte AsylbewerberInnen sind nach wie vor von „willkürlicher Inhaftierungen und Folterungen wie auch der Verurteilung zu langen Gefängnisstrafen nach unfairen Verfahren und möglicherweise auch der Hinrichtung ausgesetzt“, warnt der ai-Bericht. Davon könnte sich der Senat direkt vor Ort überzeugen: Der Bremer Verein „Refugio – Psychosoziales Zentrum für ausländische Flüchtlinge“ betreut Flüchtlinge, die der Folter ausgesetzt waren. Ingrid Koop, Psychologin und Mitintitiatorin des Vereins: „Wir haben einen hohen Prozentsatz iranischer Klienten, die unter den Erfahrungen von Folter und Psychoterror leiden. Für uns steht außer Zweifel, daß es die politische Verfolgung nach wie vor auch im Iran gibt.“
„Das nächste Jahr wird ein Abschiebejahr werden,“ warnt Frank Düvell vom Anti-Rassismus-Büro. Dabei ist schon jetzt die Zahl der Abschiebungen nach Auskunft des Innenressorts von 114 (1990) auf 770 (1994) gestiegen. „Die Zeit der internen Proteste ist vorbei,“ meint Düvell. Das Anti-Rassismus-Büro will daher wie im Falle des 17jährigen Kurden Halim, dessen Abschiebung durch etwa 70 Menschen in letzter Minute verhindert werden konnte, an eventuellen Blockaden auf dem Flughafen teilnehmen. „Wir müssen sehen, daß das weiter klappt,“ sagt auch Gerrit Busch, Sprecher der „Kampagne für Menschenrechte in Sri Lanka“ und fordert dazu auf, das vor einigen Jahren sehr aktive „Bremer Bündnis gegen Abschiebungen“ wieder zu verbreitern.
Derselben Meinung ist Konrad Siess, Sprecher des „Flüchtlingsarbeitskreis Walle“, der im vergangenen Juni gemeinsam mit den beiden ev. Kirchengemeinden Imanuel und St. Stephani die Familie Soki aus Zaire im Kirchenasyl betreute. Eine Aktion, die Justizsenator Henning Scherf als Kirchenvorstandsmitglied der St. Stephani-Gemeinde noch unterstützt hatte. Konrad Siess: „Er hat sich zwar immer gewunden, wenn es konkret wurde, aber er hat schon dazu gestanden. Dazu würde er jetzt im Widerspruch stehen.“
Scherf, der sich vor drei Jahren noch öffentlich für de-facto-Flüchtlinge in Bremen eingesetzt hatte, der (s.S.22) erst kürzlich per Unterschrift für die Änderung des §54 Ausländergesetz eingetreten war, um dann aber im Senat dagegen zu votieren, muß sich auch von Bremens GesamtschülerInnenvertretung (GSV) harte Kritik gefallen lassen: „Ein Mensch vertritt eigentlich nicht zwei gegensätzliche Meinungen zu einem Thema. Entweder ist man für Integration, oder aber man will AusländerInnen radikal abschieben.“ Die GSV fordert insbesondere, „generell keine Flüchtlinge mehr nach Kurdistan abzuschieben“.
Eine Forderung, der auch der Bremer Kirchentag Nachdruck verleiht. BEK-PräsidentBrauer bezeichnete die Senatsentscheidung insgesamt als „beklagenswert“. Ebenso kritisieren DGB und DAB (Dachverband der Ausländer-Kulturvereine) und die Ausländerbeauftragte des Landes, Dagmar Lill, die Entscheidungen des 14. März. Dora Hartmann
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen