piwik no script img

Eine Bootsfahrt, die ist lustig Von Ralf Sotscheck

Eigentlich sollte es eine Reisereportage über den Erne-Shannon- Waterway werden – den Kanal, der den nordirischen Lough Erne mit dem südirischen Shannon verbindet. Die Belfaster Fremdenverkehrszentrale hatte uns zu einer Fahrt mit einem Kabinenkreuzer eingeladen, um die wiedereröffnete Wasserstraße auszuprobieren. Bis zum vergangenen Jahr war sie aus Sicherheitsgründen gesperrt gewesen. Die Briten hatten wohl vermutet, daß die IRA über eine Marineeinheit verfügt.

Wir waren zu dritt: Jürgen, der Berliner Galerist; seine Freundin Klaudia, die Fotografin; und ich, die Landratte. Der junge Mann vom Bootsverleih am Manor House nördlich von Enniskillen erklärte jeden Handgriff dreimal. „Das Boot hat 90.000 Pfund gekostet, es ist nagelneu. Das ist heute seine Jungfernfahrt“, sagte er. „Unsere auch“, entgegneten wir, was der Vertrauensbildung nicht unbedingt förderlich war. Meine Frage nach der Schiffsbremse trieb dem jungen Mann dann den Angstschweiß auf die Stirn. Er bestand auf einer Probefahrt, bei der erstaunlicherweise alles glattging. Danach ließ er uns noch ein paar Seemannsknoten üben, band ein Rettungsboot hinten an den Kabinenkreuzer und verabschiedete sich von uns – und vor allem von seinem Boot.

Wir tuckerten wie alte Seehasen über das Wasser und achteten darauf, immer an der weißen Seite der Plastikfähnchen vorbeizufahren – „niemals auf der roten Seite“, hatte uns der Bootsverleiher eingeschärft, „da ist es zu flach“. Unser Problem war jedoch eher das Hochwasser: Sämtliche Anlegestege lagen unter Wasser. Da wir bis auf eine halbe Flasche Whiskey – als medizinische Vorbeugung gegen Erkältung – nichts dabeihatten, wurden wir langsam unruhig. Endlich ragte an einer Insel ein Steg heraus, doch beim Anlegemanöver wurde das Rettungsboot eingeklemmt und soff ab. Obendrein gab es auf Devenish Island nur ein paar Dutzend Schafe und einen Turm aus dem Mittelalter.

Bis Enniskillen war es zum Glück nicht mehr weit, und einen Steg gab es dort auch. Der war allerdings rutschig: Als Jürgen mit dem Schiffstau in der Hand elegant von Bord sprang, rutschte er aus und blieb benommen liegen. Ich versuchte, das Boot mit dem anderen Seil festzuhalten, während Klaudia wie ein Jo-Jo auf dem Deck herumhüpfte und schrie: „Du Arschloch, was mußt du auch diese scheißglatten mexikanischen Schuhe tragen!“ Das Arschloch hatte sich die Schulter gebrochen und ausgekugelt. Damit war die Bootspartie beendet.

Jürgen kam ins Krankenhaus, Klaudia und ich brachten das Boot zurück zum Verleih. Den ersten Versuch brachen wir freilich nach einer halben Stunde ab, als wir kurz vor Einbruch der Dunkelheit entsetzt feststellten, daß der Lichtknopf am Armaturenbrett lediglich die Klobeleuchtung einschaltete. Das Schiff hatte gar keine Außenscheinwerfer. Am nächsten Morgen herrschte Schneesturm. Die Rückfahrt dauerte zwei endlose Stunden. Es ist verblüffend, wie grün ein Gesicht werden kann, bevor das Frühstück aus ihm herausfällt.

Die Fahrt auf dem Erne-Shannon-Waterway wird im Herbst nachgeholt. Jetzt wissen wir ja, wie ein Kabinenkreuzer funktioniert. Und Jürgen bekommt richtige Skipper-Schuhe.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen