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SabSanSte hat einen Knall

Mit den drei fast berühmten Schwestern Sabine, Stephanie und Sandra Kürten peilen die deutschen Eishockeyspielerinnen bei der EM Platz fünf an  ■ Von Holger Gertz

München (taz) – Die drei Töchter von Peter Kürten haben alle schönes langes blondes Haar und eine ziemlich große Klappe; das macht den Papa stolz. „Wissen Sie“, sagt er, „meine Mädchen, die muß man kennenlernen, die sind echte Knüller, alle drei.“ Sabine sowieso, die ist 17 Jahre alt und beste Eishockeyverteidigerin in Deutschland. In Esslingen, wo die Familie wohnt, kennt sie jedes Kind, und der Vater lobt, „wie cool die das alles nimmt“. Stephanie (16) steht im Tor. Sandra (14) stürmt in der Mitte. Sab. Kürten, San. Kürten, Ste. Kürten steht hinten auf ihren Trikots, und wenn die drei anrollen mit den Nummern 23, 24, 25, gibt es kein Halten mehr. „Wenn die Kürtens kommen, rappelt's in der Kiste“, sagt Stürmerin Sandra. Neulich sind sie mit ihrem Verein ESG Esslingen deutscher Meister geworden durch ein 5:2 über die Königsbrunn Tigers, und danach haben die Kürtens schwer an den ganzen Pokalen schleppen müssen: Beste Torfrau, beste Verteidigerin, Sandra ist beste Scorerin und Stürmerin geworden, und Stephanie hat später gesagt, daß sie zu Hause gar nicht mehr wüßten, wohin mit dem ganzen Pokalzeug. Wenigstens werde ab und an mal „ein Pott verschlampt“.

Daß einer dazukommt bei der Europameisterschaft, die heute in Riga beginnt, ist unwahrscheinlich. „Wir sind noch im Aufbau“, sagt Bundestrainer Alfred Neidhardt, „uns reicht Platz fünf.“ Jener nämlich vermeidet erstens den Abstieg und verhilft zweitens zur Teilnahme an der WM 1997 in Toronto. Vor einem halben Jahr hat der bärtige Bayer die Nationalmannschaft übernommen und gleich alle rausgeworfen, die zu alt sind. Jetzt liegt der Schnitt bei 19,4 Jahren, und Neidhardt sagt, alle Mädchen brächten das mit, was man braucht, um eine tolle Eishockeyspielerin zu werden: „Sie sind verrückt, die tun alles für Eishockey.“

Kürtens zum Beispiel sind eigens aus Neuss nach Esslingen gezogen, weil der Vater in Schwaben eine Stelle als Eismeister und Jugendtrainer bei der ESG angeboten gekriegt hat. Da können die Frauen regelmäßig trainieren, und vor allem ist Vaters Auskommen gesichert. Früher war das schwieriger. Da hat Peter Kürten in der Düsseldorfer Eishalle Currywurst verkauft, um den Töchtern die Puckhatz zu ermöglichen. Aber Eishockey ist ein teurer Sport, und das Geld hat nie gereicht, obwohl seit Jahren der Familienurlaub gestrichen war.

Trotzdem, entmutigen lassen haben sie sich davon nicht. Stephanie, die Torfrau, hat in ihren sechzehn Lebensjahren schon erkannt, daß jemand, der den Schwanz einzieht, „eh nichts wird, im Alltag nicht und nicht auf dem Eis. Du mußt hart sein“. Sie schult ihre Reflexe sowieso nur noch im Training mit den Jungs des Oberligisten Wernau, „weil die einfach draufknallen die ganze Zeit“. Täglich gleitet Stephanie aufs Eis und übt viele Stunden, nur so wird man mit 16 schon Stammtorfrau im Nationalteam und überzeugt die Jungs dermaßen von seinem Können, daß sie einen am liebsten in die eigene Mannschaft einbauen würden. „Die Wernauer nehmen sie mit Handkuß“, weiß Neidhardt, aber eine Frau im Herrenteam erlaubt der Verband noch nicht. Vielleicht werden die Regeln bald gelockert, Stephanie wartet jedenfalls schon ungeduldig und wird, sollte ihr der Einsatz bei den Männern trotz aller Bemühungen verwehrt bleiben, irgendwann nach Kanada gehen, wo die härtesten und besten Eishockeyspielerinnen ganz gut verdienen mit ihrem Sport.

Für die Schule bleibt allerdings nicht viel Zeit, und das findet der Vater auch gar nicht so schlimm. Wer braucht schon das Abitur, wenn er auf dem glatten Eis seine Reife längst bewiesen hat? „Das gibt so viele, die stehen mit Abi eins auf der Straße oder gehen kellnern“, sagt Peter Kürten. Das wird Sab., San. und Ste. nicht passieren; dafür wird die Popularität im Ort schon sorgen. „Die kriegen in Esslingen immer 'ne Arbeitsstelle“, glaubt Kürten, „die kriegen auch 'ne Bude. Die sind ja bekannt.“ Der Currywurstverkäufer a. D. und amtierende Eismeister Kürten hat sein Leben schließlich auch in den Griff gekriegt, ohne sich mit allzuviel toter Theorie zu belasten. Hat seine Mädchen von klein auf gecoacht, ohne jemals einen Trainerschein gemacht oder psychologische Elementarkenntnisse gepaukt zu haben. Egal, Kürten sagt: „Ich habe Erfolg.“ Von dem sind neulich sogar Reporter der Publikation Bravo Sport angelockt worden, und der Vater trägt sich inzwischen mit dem Gedanken, Autogrammkarten seiner Töchter in Auftrag zu geben.

Die Kürtens sind fast schon berühmt, und das haben sie verdient. Bundestrainer Neidhardt erzählt, beim Lehrgang neulich hätten seine Nationalspielerinnen ein Match gegen die Jugendmannschaft des EV Füssen gemacht. Stephanie Kürten hat er nach dem ersten Drittel runtergenommen, weil er auch mal die anderen Keeperinnen testen wollte. Sie ist an die Bande gekommen und hat den Bundestrainer gefragt, ob sie in der Halle nebenan weitermachen darf, weil da Füssens erste Männermannschaft trainierte. Neidhardt hat es erlaubt, Stephanie ist rüber und hat sich noch eine Stunde die Pucks um die Ohren fegen lassen. „Die hat den Knall“, sagt Alfred Neidhardt. Aber er sagt das nicht spöttisch, sondern voll Respekt.

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