: Bosniens Waffenstillstand wird immer brüchiger
■ Bosnische Serben starten bei Bihać neue Offensive / UN-Hilfskonvois erreichen dennoch die Moslem-Enklave / Spannung zwischen Unprofor und Serben steigt
Sarajevo (AFP) – Ungeachtet des seit Jahresbeginn gültigen Waffenstillstands haben serbische Verbände im Westen Bosniens eine neue Offensive gestartet. Nach Angaben eines Sprechers der UN-Schutztruppe (Unprofor) durchbrachen serbische Truppen mit Hilfe moslemischer Rebellen die Frontlinie der bosnischen Regierungstruppen in der nordwestbosnischen Region Bihać. Wie ein Sprecher der Unprofor bestätigte, gewannen östlich von Velika Kladuša offenbar Serben aus der kroatischen Krajina und die Truppen des abtrünnigen Moslemführers Fikret Abdić an Terrain. Am Wochenende wurden dem Sprecher zufolge in der Region annähernd 500 Explosionen registriert.
Die Hilfslieferungen nach Bihać waren vom Wiederaufflammen der Gefechte offensichtlich nicht betroffen. Am Wochenende erreichten zwei Konvois mit rund 150 Tonnen Medikamenten und Lebensmitteln die Stadt. Auch in Südwestbosnien, nahe der kroatischen Küste, wurde nach Angaben der UN-Schutztruppen erstmals seit Wochen wieder gekämpft. Kroatische Truppen sollen nordwestlich von Livno Stellungen der Krajina-Serben mit Artilleriefeuer beschossen haben.
In Sarajevo kam es am Wochenende ebenfalls zu Zwischenfällen. Auf einer Straße am Igman-Berg verunglückte nach dem Beschuß durch bosnische Serben am Sonntag ein Lastwagen. Dabei kam ein Mann ums Leben. Dies war bereits der vierte Zwischenfall dieser Art in der letzten Woche auf der Bergstraße. in Am Samstag war ein Mann in Sarajevo von Heckenschützen getötet worden. Für den Beschuß zweier UN-Flugzeuge am Freitag machten die UN-Schutztruppen die bosnischen Serben verantwortlich. Angesichts der wiederholten Verletzungen der Waffenruhe warnte Unprofor- Sprecher Alexander Ivanko die bosnischen Serben vor Gegenmaßnahmen. Gestern morgen kreisten demonstrativ Nato-Kampfflugzeuge über Sarajevo.
Unterdessen kündigten die bosnischen Kroaten an, ihre Kontakte mit den Moslems vorübergehend einzufrieren. Grund für die Spannungen ist die mutmaßliche Ermordung des Generals der bosnischen Kroaten, Vlado Santic, durch bosnische Moslems. Das bosnische Fernsehen hatte am Samstag gemeldet, drei tatverdächtige Männer seien festgenommen worden.
Die EU-Außenminister waren sich bei ihrem Treffen am Wochenende im südfranzösischen Carcassonne einig, daß die Forderung des serbischen Präsidenten Slobodan Milošević nach Aufhebung der internationalen Sanktionen gegen Serbien vor neuen Gesprächen unannehmbar sei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen