Tödlicher Waffenstillstand

■ Serbische Soldaten beschießen bosnische Kaserne in Tuzla: 30 Tote und 80 Verletzte

Sarajevo (AFP/dpa/taz) – Bei einem Angriff serbischer Einheiten auf eine bosnische Kaserne in Tuzla sind gestern 30 bosnische Soldaten getötet und 80 weitere verwundet worden. Ein Vertreter der UN- Blauhelmtruppen teilte mit, die Unterkünfte der Bosnier seien während eines Appells am Morgen von mehreren Granaten getroffen worden. Bereits in der vergangenen Woche hatten sich die Verletzungen des Waffenstillstandsabkommens für Bosnien gehäuft, nun scheint die bis zum 30. April geltende Vereinbarung endgültig zusammengebrochen zu sein.

Vor dem Angriff in Tuzla hatte die UNO berichtet, die bosnische Regierungsarmee habe im Norden Bosniens eine Offensive gestartet. Dabei habe sie das von den Serben gehaltene Majevica-Gebirge nördlich von Tuzla mit Artillerie beschossen; innerhalb von fünf Stunden seien 500 Detonationen registriert worden. Die Regierungstruppen sollen rund 2.000 Mann in Marsch gesetzt haben.

Nach Angaben der UNO antwortete die bosnisch-serbische Armee mit Angriffen auf die Innenstadt von Tuzla. Der kroatische Rundfunk berichtete, daß dabei zahlreiche Zivilisten getötet oder verwundet worden seien. Ein Arzt in Tuzla teilte mit, daß 200 Personen in das Krankenhaus der Stadt eingeliefert worden seien. Krankenwagen wären dabei, weitere Verwundete zu bergen. Tuzla ist eine der Schutzzonen der Vereinten Nationen.

„Wir können im Moment nicht genau sagen, was an den Fronten geschieht, da wir keinen Zugang zu diesen Gebieten haben“, sagte ein UN-Sprecher im Hauptquartier der Blauhelme in Zagreb. Das bosnisch-serbische Fernsehen berichtete am frühen Nachmittag von erbitterten und verlustreichen Infanteriegefechten, die auf beiden Seiten offenbar hohe Verluste forderten. Gekämpft werde außerdem auch beim Posavina-Korridor in Nordostbosnien und der mittelbosnischen Stadt Travnik. Der Korridor ist strategisch wichtig, da er serbisch kontrollierte Gebiete im Westen und Osten Bosniens verbindet. Beobachter gehen davon aus, daß auch die Offensive im Majevica-Gebirge die Voraussetzungen für ein Durchbrechen dieses Korridors schaffen soll.

Bereits am Wochenende hatte sich auch die Lage in Sarajevo zugespitzt. Nachdem ein bosnischer Soldat von serbischen Heckenschützen getötet worden war und Truppen der Serben eine UN-Transportmaschine beschossen hatten, forderte die UNO Luftunterstützung der Nato an. Flüge nach Sarajevo wurden eingestellt.