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Wo die Geister Pepsi trinken

■ Neu im Kino: „Movie Days“, eine Jugenderinnerung aus Island von Fridrik Thor Fridriksson - zwischen Urmythen und Ami-Kult

Mit seinen altisländischen Sagen von Geistern und Riesen kann der Knecht Toni den 10jährigen Thomas nicht beeindrucken: „So what!“ antwortet dieser in bestem Amerikanisch – wer schon soviel Hollywoodfilme wie er in dem imposanten Reykjaviker Kinopalast gesehen hat, kann über Trollfrauen, die kleine Jungen in Kochtöpfe werfen, nur die Nase rümpfen.

Zwischen diesen beiden Welten, der urständig isländischen und der modernen kosmopolitischen, pendelt der Junge im Sommer des Jahres 1964 hin und her. Regisseur Fridrik Thor Fridriksson hat Episoden aus seiner eigenen Kindheit zu diesem Film komprimiert und sich damit in die Reihe der großen Regisseure eingereiht, die solche Kindheitserinnerungen im Kino zu einem der schönsten Genres des Autorenkinos werden ließen. Fellini war der erste mit „Amarcord“, es folgten Bergmann („Fanny und Alexander“, Allen („Radio Days)“, John Boorman („Hope and Glory“) und Daniel Schmid („Zwischensaison“).

So unterschiedlich die einzelnen Schicksale sind, so ähnlich verlaufen die Filmgeschichten: Wir sehen Jungen im gleichen Alter kurz vor der Pubertät, also noch „unschuldig“ aber schon neugierig; sie durchleiden jeweils eine Reihe von Episoden, die sichnicht zu einer durchgehenden Geschichte fügen, aber ein genaues Bild der Zeit, des Milieus und der handelnden Personen liefern. Die Filme wirken nostalgisch, komisch, rührend aber nie kitschig – man merkt, daß sie auf Erinnerungen beruhen, und daß die Regisseure die Bilder aus ihrer Kindheit beim Schreiben und Drehen genau vor Augen hatten.

Fridriksson erzählt von einem Island, das gerade erst aus dem Dornröschenschlaf seiner Isolation geweckt wurde. Durch den Natostützpunkt kommen amerikanisches Kino, Fernsehen und Pepsi Cola auf die Insel. Aber die älteren Isländer leben auf dem Lande noch in archaischer Einfachheit. Thomas lebt einen Sommer lang mal in der Stadt, mal auf dem Hof seiner Verwandten. Und so entdeckt er einen russischen Spion, den singenden Cowboy Roy Rogers und den Horrorfilm „Die kriechende Hand“, aber er erlebt auch die durchaus noch wirksamen Geister im Kuhstall und einen stinkenden, abgemagerten Einsiedler in einer heruntergekommenen Kate.

Obwohl hier eine uns sehr fremde und merkwürdige Welt gezeigt wird, fühlen wir uns in ihr sofort heimisch, denn wir lernen sie ja zusammen mit Thomas kennen. Und in dessen staunenden Augen spiegelt sich auch unsere Verwunderung.

Fridriksson hat fast makellos inszeniert. Nur gegen Ende nimmt er dem Film mit einer zu langen Beerdigungsfeier etwas Wind aus dem Segeln. Man erkennt, warum er nach dieser Kindheit solch ein enthusiastischer Filmemacher geworden ist. Ganz nebenbei, als kleinen Leckerbissen für Cineasten, zitiert er sich übrigens selber beim Zitieren: Während nämlich in seinem letzten Film „Children of Nature“ Bruno Ganz direkt aus dem „Himmel über Berlin“ in die isländische Wildnis herabzutauchten schien, reitet in „Movie Days“ Wim Wenders zweiter Engel Otto Sander als schwarzer Mann übers Feld.

Und auch die Bremer kommen in diesem Film zu ihrem Recht. In mehreren Einstellungen kann man es ganz deutlich sehen: Die Isländer schmuggelten ausschließlich das leckere Bremer Bier.

Wilfried Hippen Cinema, täglich 19 Uhr

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