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„Einen zwischen die Hörner“

■ Rechnungshof rüffelt die CDU: Fraktion betreibt Wahlkampf mit Steuergeldern

Die Bremer CDU-Fraktion hat heute unangenehme Post im Briefkasten. Der Rechnungshof hat die ChristdemokratInnen gerüffelt. Der Grund: Gestern hatte die CDU-Fraktion in einer großen Anzeige im Weser-Kurier eine „Leistungsbilanz“ der ablaufenden Legislaturperiode vorgelegt. Und das finden Bremens oberste BuchprüferInnen ziemlich ungehörig. Schließlich werden die Bürgerschaftsfraktionen aus Steuergeldern finanziert, und das bedeutet, daß sie sich in Wahlkampfzeiten mit Öffentlichkeitsarbeit schwer zurückhalten müssen. Das hat das Bundesverfassungsgericht schon 1988 so festgelegt.

Die CDU scheint das wenig zu stören, den Rechnungshof umso mehr. „Wir sind uns sicher, das geht so nicht“, kommentierte gestern Rechnungshofpräsident Hartwin Meyer-Arndt. Gestern morgen hatte das Rechnungshof-Kollegium sofort den Rüffel an die CDU formuliert. Doch die CDU denkt nicht daran aufzuhören, ganz im Gegenteil: „Der Rechnungshofpräsident hat große Chancen, erneut einen zwischen die Hörner zu kriegen“, kommentierte gestern CDU-Fraktionschef Peter Kudella.

Zwischen Fraktionen und Rechnungshof schwelt ein Dauerstreit genau um die Frage der Öffentlichkeitsarbeit: Wo kippt das legitime Anliegen, die eigene Arbeit darzustellen, in unerlaubte Parteienfinanzierung? Denn Wahlkampf ist Parteisache. Insbesondere CDU und SPD wollten sich der harten Haltung des Rechnungshofes nicht beugen. Doch der ließ sich nicht beirren. In seinen letzten Jahresbericht schrieb er denn auch noch einmal explizit das „Gebot der äußersten Zurückhaltung“ der Fraktionen in Wahlkampfzeiten fest, ganz auf der Linie der Karlsruher RichterInnen. Haushaltsmittel dürfen nicht für Wahlkampfzwecke ausgegeben werden, basta. „Leistungsbilanzen“ von SenatorInnen und MinisterInnen sind sowieso streng verboten. Die dürfen spätestens bis sechs Monate vor dem Wahltermin an die Öffentlichkeit gegeben werden. „Und Fraktionen geben schließlich auch Haushaltsmittel aus“, so Meyer-Arndt.

So einig die Fraktionen in der Frage der Darstellung von Regierungspolitik sind – wenn es an die Begrenzung der eigenen Möglichkeiten geht, sind sie plötzlich gar nicht mehr einer Meinung. „Schließlich hat die SPD vor zwei Wochen auch so eine Anzeige geschaltet. Warum wurde die nicht gerügt?“ sagte Kudella. Und außerdem seien es noch acht Wochen bis zur Wahl. Meyer-Arndt selbst habe in einem Schreiben an die Fraktionen von einer Sechs-Wochen-Schamfrist gesprochen. Das sieht die SPD ganz ähnlich. „Wenn ein Bezug zur Fraktionsarbeit besteht, dann sind solche Anzeigen absolut zulässeig“, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Karl-Hermann Niestädt. „Wir schalten auch noch eine.“

Doch da irren Christ- wie SozialdemokratInnen. Der Rechnungshof hatte zwar in der Tat eine sechs-Wochen-Schamfrist festgelegt, die sollte für jegliche Öffentlichkeitsarbeit gelten. Bis dahin könnten die Fraktionen ihre regelmäßige Öffentlichkeitsarbeit fortsetzen. Aber eine solche Anzeige wie die Weser-Kurier sei auch in der Vorwahlzeit verboten.

Die FDP wollte den Vorgang lieber nicht kommentieren. Nur die Grünen teilen die Empörung des Rechnungshofpräsidenten. „Unbeschadet der rechtlichen Beurteilung“, sagte der Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Rainer Oellerich, „die Sache ist anrüchig“. Die Anzeige sei eindeutig auf auf die SpitzenkandidatInnen der CDU zugeschnitten – „mit Bild. Und das mitten in der Zeit, in der die CDU ihre Kandidatenliste wählt. Der Rechnungshofpräsident solle prüfen, ob er die Gelder zurückfordert.“ Jochen Grabler

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