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Morddrohungen gegen Alewiten

■ Beim Alewitischen Kulturzentrum gehen Drohanrufe ein / Büro von „Hürriyet“ ausgebrannt / Polizeischutz verstärkt

„Ihr habt noch 24 Stunden zu leben“, drohte der anonyme Anrufer auf türkisch und nannte drei Namen von Mitgliedern des Kulturzentrums Anatolischer Alewiten im Wedding. Auch privat erhielten sie Drohanrufe, und zwar seit dem 13. März, einen Tag nachdem in Istanbul Unbekannte in alewitische Cafés geschossen hatten. Seitdem gingen täglich drei bis vier solcher Anrufe ein, sagt Hidir Ali Bingöl vom Kulturzentrum. „Wir sind vorsichtig, wenn wir spät am Abend das Kulturzentrum verlassen.“ An die Polizei haben sie sich bislang nicht gewandt und erst am Dienstag mit der Ausländerbeauftragten Barbara John gesprochen. Es gibt Hinweise, daß einige der Anrufer zu den rechtsextremen Grauen Wölfen gehören.

„Wir haben auch früher Probleme gehabt“, so Bingöl. Kinder seien während des Fastenmonats Ramadan von sunnitischen Mitschülern beschimpft worden, weil Alewiten nur zwölf Tage oder gar nicht fasten. Im türkischen Fernsehkanal TD-1 seien Alewiten manchmal „schlechtgemacht und beleidigt“ worden.

Erneut zwei Anschläge auf türkische Einrichtungen

In der Nacht zum Dienstag kam es in Berlin zu zwei weiteren Anschlägen auf türkische Einrichtungen. Gegen 0.25 Uhr flog ein Molotowcocktail in das Neuköllner Anzeigenbüro der türkischen Tageszeitung Hürriyet. 20 Minuten später warfen Unbekannte einen Brandsatz in ein türkisches Reisebüro im Wedding. Die Räume von Hürriyet sind völlig ausgebrannt.

Das Büro war bereits im Januar aufgebrochen und verwüstet worden. Danach war es zur Straßenseite mit Sicherheitsglas und einer Jalousie gesichert worden. Die Täter müssen sich gut ausgekannt haben: Sie warfen den Brandsatz durch die hinteren Fenster, die nicht ausgewechselt worden waren. Wie ein Mitarbeiter des Büros erklärte, habe die Polizei am Tatort zwei rote Fahnen mit Stern gefunden. Während ein Hürriyet- Mitarbeiter erklärte, dies sei das Emblem des militärischen Arms der kurdischen Arbeiterpartei PKK, meinte ein Polizeisprecher, es handle sich um die Fahne der linken „Revolutionären Befreiungsfront“ (DHKC).

Der Mitarbeiter von Hürriyet vermutete, daß der Anschlag eine Quittung für eine PKK-kritische Berichterstattung der Zeitung sei. Hürriyet hat in der Kurdenfrage sowohl regierungskritische als auch türkisch-nationalistische Beiträge veröffentlicht.

Das türkische Konsulat hat eine Reihe von türkischen Verbänden informiert, daß zwischen dem 20. und 28. März mit weiteren Anschlägen zu rechnen sei. Zwischen der Polizei, dem Konsulat und der türkischen Gemeinde gibt es Absprachen, bestimmte Einrichtungen auch weiterhin durch die Polizei schützen zu lassen. „Die polizeilichen Maßnahmen werden der Situation angepaßt“, sagte ein Polizeisprecher, ohne nähere Angaben zu machen. Dorothee Winden

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