■ Das Portrait: Paul Schockemöhle
Schon als Teenager hatte der schmalbrüstige Bauernsohn eine Schwäche für Viechereien. Was als erstes das Federvieh zu spüren bekam: Als Milchbart baute der Mühlener ein gigantisches KZ für drei Millionen Hühner, mit 17 war er Europas größter Eierproduzent. Doch das Cleverle wollte mehr. Es ging auf die Uni, scheiterte und beschloß, aus Rache reicher zu werden als all die Schlaumeier. Paul kehrte zurück in den Stall. Diesmal sollte es die Pferde treffen.
Mit 23 stieg er in den Sattel. Als er 1971 nicht zur Europameisterschaft durfte, verkaufte er seine Pferde. Doch sein bestes Tier blieb im Stall, vielleicht weil es so häßlich war: Deister. Der Wallach mit seiner mitleiderregenden Hinterhandtechnik hob seinen Herrn in den Olymp: dreifacher Europameister, Zweiter und Dritter bei Olympia, Team-Vizeweltmeister und – Peanuts – sechsmal Deutscher Champ.
1987, als sich Deister verletzte, stieg Schockemöhle aus dem Sattel, nur um der einflußreichste Pferdehändler der Welt zu werden. Er kaufte Spitzenreiter und die besten Pferde ein. Und hatte damit den Verband in der Hand. Das Wort des „Paten“ war Befehl – bis 1990 ein Videofilm auftauchte, der den Geschäftsmann („Menschen können viel vom Pferd lernen. Denn Pferde sind von Grund auf anständig.“) beim „Barren“ seiner Ware zeigte: Mit einer Holzstange bewaffnet, lauert Paul hinter einem Sprung und trümmert den nichtsahnenden Pferden gegen die Beine.
Pferde-Paul wird 50 Foto: dpa
Die Öffentlichkeit jaulte auf. Die Pferdewelt, in der jeder von dieser gängigen Praxis wußte, mußte böse Miene zum alltäglichen Spiel machen. Unter dem Druck der aufgeschreckten Sponsoren rückten zunächst die Funktionäre, dann die Reiter von Schockemöhle ab. Abgekört sattelte der Pate um. Er erstand 6.000 Rinder für sein Gut Lewitz in Mecklenburg, die 1.100 verbliebenen Pferde werden zur Zucht genutzt. Er herrscht über ein Dutzend Unternehmen, und schon wird der großzügige Pferdemann im Sport schmerzlich vermißt, von seinen Hofberichterstattern von den Agenturen dpa und dem sport-informatonsdienst (sid). „Das Team-Gold von Seoul“, so schwadroniert dpa, sei „dem geschickten Management Paules zu verdanken“, ebenso die „imponierende Renaissance“ dieses Sports. Und sid schmalzt bezüglich der Barren-Affäre: „Er brach zusammen, doch er zerbrach nicht.“ miß
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