piwik no script img

Chefarzt degradiert sich selbst

■ Unterallgäuer Landrat hofft, mit Neubesetzung des Chefsessels aus den Schlagzeilen zu kommen / Heftige Kunstfehlervorwürfe

Mindelheim (taz) – Nicht alle Tage beantragt ein hochdotierter Chefarzt seine eigene Degradierung. Am Kreiskrankenhaus Mindelheim im Landkreis Unterallgäu ist genau das geschehen.

Der bisherige Chefarzt der Chirurgie, Dr. Wolfgang M., hat, wie er selbst erklärt, nach Gesprächen mit Kollegen und Landrat Haisch dem Landkreis vorgeschlagen, „die Position des Chefarztes der Chirurgie am Kreiskrankenhaus Mindelheim neu auszuschreiben“.

Gleichzeitig bietet er an, in untergeordneter Position, nämlich als Leitender Oberarzt, unter einem neuen Chef an eben diesem Krankenhaus weiterzuarbeiten.

Daß Dr. M. diese persönliche Erniedrigung auf sich nimmt, hat seinen Hintergrund in der seit Jahren andauernden Krankenhausaffäre von Mindelheim (siehe taz vom 17. 3. 95). Nachdem zwei Oberärzte eine Liste mit 29 ärztlichen Fehlleistungen ihres Chefs vorgelegt hatten, wurde ihnen fristlos gekündigt.

Eine voreilige und teure Kündigung, wie sich herausstellte, die zwischenzeitlich den Landkreis 438.000 Mark an Abfindungen gekostet hat.

Doch anders als von Landrat Haisch geplant, kam das Mindelheimer Krankenhaus auch nach Abwicklung der Oberärzte-Kündigung nicht zur Ruhe. Sieben Krankengeschichten zwischenzeitlich verstorbener Patienten sorgen noch immer für Gesprächsstoff und vor allem ein bereits seit Monaten anhängiger Kunstfehlerprozeß, dem nach dem jetzigen Stand mindestens fünf weitere folgen werden.

Der Chefarzt, dem Landrat Haisch und die Landkreisgremien vor kurzem noch demonstrativ ihr Vertrauen ausgesprochen hatten, wurde dem Vernehmen nach von Kollegen und dem Landrat zu seinem ungewöhnlichen Schritt gedrängt. Ganz offensichtlich hofft man in Mindelheim, mit dem „freiwilligen“ Rückzieher des Chirurgiechefs endlich aus den Schlagzeilen zu kommen. Klaus Wittmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen