: Probelauf versandet
■ Freie Gruppen und Stadttheater gemeinsam im „Concordia“: Auch der jüngste Anlauf ist gescheitert
Eigentlich übersetzt man Concordia mit Eintracht, einem harmonischen Miteinander. In Bremen aber hatte der Name des alten Kinos in den letzten Jahren einen bitteren Beigeschmack bekommen. Lange und vergeblich hatten die Freien Gruppen versucht, die vom Bremer Theater nur spärlich bespielte Stätte ebenfalls zu nutzen. Nun kündigte Helga Trüpel am Donnerstag bei der „Strukturdebatte“ in der Bürgerschaft an, es werde Bewegung in die verfahrene Situation kommen. Der „Probelauf“ für die Mitnutzung der Freien Gruppen der Concordia Spielstätte könne demnächst beginnen. Aber in dieser Spielzeit wird es zur Kooperation zwischen Bremer Theater und Freien Gruppen nicht mehr kommen. Und wenn nicht ein Wunder geschieht, dann wird auch im nächsten Jahr nichts aus dem gemeinsamen Projekt.
Dabei strotzen alle Seiten vor gutem Willen aber wie so oft, eine Behörde ist als Vermittler zwischen den Theaterlagern nicht eben hilfreich. Das verantwortliche Theaterreferat in der Kulturbehörde war offensichtlich nicht in der Lage, zwischen der Terminplanung im Theater und den Ausschüssen zu vermitteln.
„Ich wüßte kein Stadttheater in Deutschland, das mehr für die Freien Gruppen in seiner Stadt tut.“ Klaus Pierwoß weist die Schuld von sich. „Wir haben im vergangenen Herbst, als der erste Probelauf war, zehn Wochen lang das Concordia für die freien Gruppen reserviert. Genutzt wurde es dann nur für ganze vier Tage.“ Allerdings nicht aus Desinteresse: Die Freien Gruppen verweisen darauf, daß die Bezuschussung durch die Stadt im Herbst noch nicht geregelt gewesen sei. Die Nutzung des Concordia kostet pro Vorstellung 350 - 500 Mark. Eine Summe, die für kleine Gruppen keinesfalls geringfügig sei, sagt Carsten Werner vom Jungen Theater.
Mittlerweile gibt es eine „Spielstättenförderung“ im Kulturressort, einen Topf von 25.000 Mark – zu spät für diese Saison. Ursula Siefken-Schulte vom Theaterreferat räumt ein gewisses „unglückliches“ Timing ein. „Da mußten erst die Gelder aus den Wettmitteln beschafft werden, die Lesung fand dann im Januar statt. Anschließend mußten die Deputierten den Vorgang im Februar beschließen“ Und dann ? „Wir haben im März alle freien Gruppen aufgefordert, einen Antrag zu stellen.“ Jetzt sind „vier bis fünf“ Anträge da, so genau wisse sie das nicht. Nicht gerade viel. „Manche haben sich auch erkundigt und gar nicht erst den Antrag gestellt“, weiß Carsten Werner, „Rudolf Höhn mit seinem Konrad-Weichberger-Abend hat kein Chance, weil die Spielstättenförderung nun plötzlich nur für Sprechtheater gilt. Wenn ein Klavier auf der Bühne steht, dann ist schon der Rahmen gesprengt.“ Das junge Theater selbst habe überlegt, für die erfolgreiche „Oleanna“-Produktion im Mai im Concordia zu reservieren. Aber das sei schwierig. Auf dem Spielplan des Bremer Theaters sind für den Monat April zwar nur vier Veranstaltungen gebucht. Und die jüngste Vorstellung von „Wir lagen vor Madagaskar“ von Klaus Chattens mußte sogar wegen Zuschauermangels abgesagt werden. Ist das Theater wirklich ausgebucht? Geschäftsführer Rolf Rempe schaut auf den Dispositionsplan des Theaters: „Ab dem 10.4. laufen dort die Proben für die nächste Musiktheater-Produktion. In dieser Spielzeit wird es also nichts mehr.“ Und für die nächste? Da muß erst einmal der Mietvertrag für das Concordia neu ausgehandelt werden. Den hat der gegenwärtige Besitzer nämlich gerade gekündigt. Das wird vermutlich auch noch ein teures Vergnügen für Bremer Theater.
Man habe wirklich immer wieder die Bereitschaft gezeigt, auch Freie Gruppen, die natürlich professionellen Standards genügen müßten, in das Concodia mit hinein zunehmen. Aber zur Zeit laufe schon auf höchsten Touren die Terminplanung für 95/96. Ob alle Freien Gruppen das ahnen? Wenn sich nicht schnell etwas in der Organisation und Koordination zwischen Freien Gruppen, Kulturbehörde und Bremer Theater, ändert wird der „Probelauf“ nie stattfinden.
Susanne Raubold
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