Cornflakespacken nur mit Pimmel

■ Betriebsrat: Kellogg's drängt Frauen systematisch aus der Produktion / Chefs schweigen

„Die Mitarbeiter sind der größte Wettbewerbsvorteil unseres Unternehmens.“ Salbungsvolle Worte aus einem Heftchen im Pixie-Format: Die „Philosophy“ des Cornflake-Multi Kellogg–s. Salbungsvolle Worte, offensichtlich mit Bedacht gewählt, denn von Mitarbeiterinnen ist nicht die Rede. Kein Wunder: „Hier sollen Frauen systematisch rausgedrängt werden“, sagt der Kellogg's-Betriebsrat. Der hat nun Alarm geschlagen.

Gut 840 Beschäftigte hat das deutsche Kellogg's-Hauptquartier in Bremen, rund die Hälfte in der Produktion. Die ist ohnehin ziemlich frauenfrei, bis auf einen Bereich, die Packerei. 228 Beschäftigte mit einem festen Arbeitsvertrag, darunter 61 Frauen, so sah es noch Ende 1993 aus. Dann kam die maskuline Offensive. „Am 26. April 1993 wurde die letzte Frau in der Packerei eingestellt. Seitdem nur noch Männer“, ärgert sich Betriebsrat Rainer Folkers. In den letzten beiden Jahren seien 21 Frauen ausgeschieden, nachgerückt sind – Männer.

Ende '93 habe die Werksleitung begonnen, eine Fehltagestatistik zu erarbeiten. Dabei sei rausgekommen, daß Frauen häufiger fehlten als Männer. Frauen werden schwanger, in der Schwangerschaft fallen sie den einen oder anderen Tag aus. In der Kellogg's-Statistik heißt das krankheitsbedingte Fehlzeiten. „Für die ist Schwangerschaft Krankheit“, schimpft Betriebsrat Folkers. „Unsere Produkte werden vor allem von Kindern konsumiert. Wo sollen die Kinder denn wohl herkommen?“

Haarsträubende Geschichten: Einige Packerinnen gingen in Erziehungsurlaub, für die sollte im Juni letzten Jahres Ersatz gefunden werden. Da wurde dem Betriebsrat eine Liste mit Neueinstellungen für die Packerei vorgelegt. Männer – natürlich. Frauen hätten sich halt nicht beworben, sagte die Geschäftsführung. Gezielt gelogen, sagt der Betriebsrat. Alle Bewerbungen müssen ihm vorgelegt werden. Nur durch puren Zufall erfuhr ein Betriebsratsmitglied von der Bewerbung – einer Frau. Die hatten weder er noch seine BetriebsratskollegInnen je zu Gesicht bekommen.

Beileibe kein Einzelfall, der Betriebsrat kann nur ahnen, ob es tatsächlich keine Bewerberinnen auf Stellenausschreibungen gegeben hat. „Leider konnten wir Sie bei der Vergabe der offenen Stellen nicht berücksichtigen“, schrieb die Personalabteilung an eine andere Bewerberin. Und genau denselben Brief bekam eine weitere Frau, die gerne bei Kellogg's angefangen hätte. Reaktion der Geschäftsführung auf den Betriebsrat-Protest: Die Vorlage der Bewerbungen sei halt „vergessen“ worden.

Vollends am Ende war die Geduld der Betriebsräte im Fall einer türkischen Packerin. Die war in Erziehungsurlaub gegangen, doch schon nach kurzer Zeit wurde ihr Mann arbeitslos. Sie wollte also den Erziehungsurlaub unterbrechen. Das bekam sie nur mit der beharrlichen Unterstützung des Betriebsrates hin. Jetzt wollte sie die Unterbrechnung verlängern: Die wirtschaftliche Situation der Familie sei derart angespannt, daß sie weiterarbeiten müsse. Da zeigte ihr die Personalabteilung die kalte Schulter. Nach Rücksprache mit dem Betrieb, nämlich der Packerei. Angeblich. Kann nicht sein, sagen die Betriebsräte. Die haben auch in der Packerei nachgefragt. Da sei die Frau als qualifizierte Kraft bekannt, die an den modernsten Maschinen einsetzbar ist. Offensichtlich fehlte ihr nur der kleine Unterschied. Gestern war ihr letzter Arbeitstag. „Muß ich eben zum Sozialamt gehen“, sagte sie zum Abschied. Und am schwarzen Brett von Kellogg's hängt eine innerbetriebliche Stellenausschreibung: „6 Mitarbeiter/innen in der Packerei“. Wer da wohl eingestellt wird?

Die Kellogg's-Geschäftsführung schweigt zu alldem. „Wir möchten keine Stellungnahme abgeben“, sagte gestern eine Unternehmenssprecherin.

Am Ende des Kurzen Lehrgangs der Kellogg–s-Philosophy ist ein einsamer Cornflake abgebildet, und darunter heißt es: „Der gute Ruf ist ein sehr zerbrechlich' Ding.“ J.G.